Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitssuchende: Zulässigkeit der nachträglichen Neufestsetzung einer Grundsicherungsleistung nach Eintritt der Bestandskraft des Bewilligungsbescheides. Anforderung an den Begründungsumfang eines Überprüfungsbescheides

 

Orientierungssatz

1. Einem gerichtlichen Antrag auf Gewährung einer höheren Leistung zur Grundsicherung für Arbeitsuchende für in der Vergangenheit liegende Zeiträume, für die bestandskräftige Sozialverwaltungsakte vorliegen, steht regelmäßig die aus der Bestandskraft der Verwaltungsakte folgende Bindungswirkung entgegen.

2. Stellt ein Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB 10 pauschal gegen alle vormaligen Bescheide ohne nähere Angaben zu den Gründen, die für eine Unrichtigkeit der früheren Bescheide und damit eine Neufestsetzung sprechen, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung der Bescheide berufen und entsprechend den Überprüfungsantrag ablehnen.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 15. März 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Wege eines Überprüfungsantrages gemäß § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) die Überprüfung “sämtlicher Bescheide„ durch den Beklagten.

Der 19xx geborene Kläger und seine Mutter erhielten bis zum 31. Dezember 2004 laufende Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz und erhalten seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Beklagten.

Mit Schriftsatz vom 6. September 2010 meldete sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei dem Beklagten, teilte unter Bezugnahme auf eine Vollmacht der Mutter des Klägers mit, er vertrete die rechtlichen Interessen des Klägers, und beantragte wörtlich

“die Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide über Grundsicherung nach dem SGB II seit dem 1. 01. 2006 auf ihre Rechtmäßigkeit. Insbesondere bitte ich u Überprüfung sämtlicher Sanktions- und Aufhebungs- und Erstattungsbescheide.„

Der Beklagte forderte den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 7. September 2010 insbesondere auf, das Datum der Bescheide und den Sachgrund für das Überprüfungsbegehren zu benennen. Hierauf teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 9. September 2010 unter Bezugnahme auf das Schreiben des Beklagten vom 7. September 2010 lediglich mit, “dass alle Bescheide seit dem 1. Januar 2006 auf ihre Richtigkeit überprüft werden sollen„; Gründe nannte er nicht.

Mit Bescheid vom 10. September 2010 entschied daraufhin der Beklagte:

“Eine Prüfung der Bescheide in der Sache war nicht vorzunehmen. Trotz nochmaliger Aufforderung wurde nichts vorgetragen, was für die Unrichtigkeit der Entscheidungen sprechen würde. Ein schlüssiger Vortrag diesbezüglich stellt jedoch die Minimalanforderung an die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X (Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) dar. Ein solcher Antrag ohne Darlegung etwaiger Anknüpfungspunkte ist als rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme anzusehen. Das Jobcenter muss sich insoweit auf die Bindungswirkung der Bescheide berufen. Es durfte daher von einer Prüfung abgesehen werden.„

Gegen diesen Bescheid legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Bezugnahme auf die bereits vorgelegte Vollmacht mit Schriftsatz vom 16. September 2010, bei dem Beklagten am 24. September 2010 eingegangen, Widerspruch ein, ebenfalls ohne diesen zu begründen oder konkrete Bescheide zu benennen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2010 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Bestandskräftige Bescheide dürften nur unter den Voraussetzungen des § 44 SGB X überprüft werden. Dies setze insbesondere voraus, dass bei Erlass das Recht nicht richtig angewandt oder von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Es sei aber nicht einmal ein konkreter Bescheid benannt noch gar etwas vorgebracht worden, was für die Unrichtigkeit der Entscheidungen sprechen könnte. Damit seien nicht einmal die Minimalanforderungen an die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens erfüllt. Selbst im Widerspruchsverfahren sei eine Konkretisierung nicht erfolgt. Der Beklagte habe daher eine sachliche Prüfung ablehnen und sich auf die Bindungswirkung berufen dürfen.

Hiergegen haben der Kläger und seine Mutter am 3. Dezember 2010 Klage bei dem Sozialgericht Cottbus erhoben.

Das Sozialgericht hat mit gerichtlichem Schreiben vom 24. Februar 2011 den Prozessbevollmächtigten des Klägers aufgefordert, den Überprüfungsantrag zu begründen und konkrete Bescheide zu benennen.

Mit Schriftsatz vom 28. Februar 2011 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers hierauf geantwortet, “eines irgendwie gearteten Antrages„ bedürfe es für die Einleitung eines Verfahrens nach § 44 SGB X gar nicht. Ein nicht erforderlicher Antr...

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