Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenübernahme für Bekleidung als Sonderbedarf der Erstausstattung durch den Grundsicherungsträger; Erstausstattung. Gegenwärtigkeitsprinzip. Leistungen für die Vergangenheit. Bedarfsdeckungsprinzip. Surrogat

 

Orientierungssatz

1. Leistungen zur Erstausstattung mit Bekleidung sind nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB 2 nicht von der Regelleistung umfasst und werden gesondert erbracht. Der Begriff der Erstausstattung setzt voraus, dass so gut wie keine Ausstattung für die Bedarfssituation vorhanden ist. Dies kann auch infolge starker Gewichtsveränderung des Hilfebedürftigen der Fall sein.

2. In jedem Fall setzt eine Leistungsbewilligung unter dem Gesichtspunkt der Erstausstattung das Bestehen einer gegenwärtigen Notlage voraus. Ist die Abwendung der Notlage infolge Zeitablaufes nicht mehr erreichbar, so kann die Leistung nicht mehr beansprucht werden.

3. Der Grundsatz "keine Hilfe für die Vergangenheit" wird nicht berührt, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch immer die anfängliche Notlage als gegenwärtige fortbesteht.

4. Im Falle eines zwischenzeitlich erledigten Bedarfs ist es für den geltend gemachten Anspruch nur dann unschädlich, wenn der Hilfesuchende den Bedarf mit Hilfe Dritter oder unter Einsatz eigener Mittel selbst deckt. Dann besitzt der Hilfebedürftige einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen, die infolge der eigenen Bedarfsdeckung entstanden sind.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 9. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für Bekleidung als Sonderbedarf für Erstausstattung.

Die Klägerin bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II -. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2007 beantragte sie bei dem Beklagten die Kostenübernahme in Höhe von 350,00 € für Bekleidungsbedarf als einmalige Beihilfe (Erstausstattung) wegen Änderung der Konfektionsgröße. Dieser Antrag wurde von dem Beklagten mit Bescheid vom 8. November 2007 mit der Begründung abgelehnt, Kosten für Bekleidung würden von der Regelleistung abgedeckt. Einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Leistungen habe die Klägerin nicht, da weder die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 SGB II noch diejenigen des § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II vorlägen. Der hiergegen von der Klägerin eingelegte Widerspruch wurde von dem Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2008 als unbegründet zurückgewiesen. Ein Anspruch bestehe nicht, weil es sich bei dem von der Klägerin geltend gemachten Bedarf nicht um eine Erstausstattung im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II handle.

Am 12. Februar 2008 hat die Klägerin beim Sozialgericht Berlin hiergegen Klage erhoben. Sie hat einen Bedarf aufgrund “außergewöhnlicher Umstände„ in der Form einer erheblichen Gewichtsabnahme in kurzer Zeit um ca. 15 Kilogramm geltend gemacht, durch welche sich ihre Konfektionsgröße um zwei Größen verringert habe. Eine Abänderung der vorhandenen Konfektion sei größtenteils nicht möglich gewesen. In den anderen Fällen hätte die Abänderung die Kosten der Neuanschaffung überstiegen. Es handle sich deshalb nicht um eine Ersatzbeschaffung, sondern um eine Erstausstattung im Sinne des § 23 Abs. 3 SGB II. Auch seien ihr bereits durch die vormals zuständige Arbeitsgemeinschaft B-H Bekleidungskosten gem. § 23 Abs. 3 SGB II gewährt worden, deshalb gebiete der Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes die Übernahme der mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Kosten. Der Bedarf wurde von ihr mit einem Gesamtbetrag in Höhe von 850,85 € beziffert.

Mit Gerichtsbescheid vom 9. Dezember 2008 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Anschaffung der geltend gemachten Bekleidungsstücke sei nicht als Erstausstattung im Sinne von § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II zu qualifizieren, sondern als Ersatzbeschaffung, welche jedoch von der Regelleistung gedeckt werde. Durch die behauptete Veränderung des Körpergewichts der Klägerin sei die vorhandene Konfektion nicht schlechthin unbrauchbar geworden, vielmehr habe es der Klägerin oblegen, die Konfektion ihrer veränderten Konfektionsgröße anpassen zu lassen um so ihrer Selbsthilfeverpflichtung nachzukommen.

Gegen den ihr am 12. Dezember 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 6. Januar 2009 Berufung eingelegt, mit welcher sie ihr Begehren weiter verfolgt. Sie ist der Ansicht, der Gleichbehandlungsgrundsatz gebiete eine Ermessensreduktion auf Null, weshalb der Beklagte keinen Entscheidungsspielraum habe, ob er die Kosten für den geltend gemachten Bedarf übernehme. Die Regelleistung sei zu niedrig bemessen, weshalb in dieser Regelleistung kein laufender Bedarf für Ersatzbeschaffung von Kleidung enthalten sei. Ihr Anspruch auf Bekleidungsbeihilfe ergebe sich deshalb aus § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II. Die Beihilfe sei hilfsweise als verlorener Zuschuss zu gewähr...

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