Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozessuale Stellung einer beklagten Behörde bei Zuständigkeitswechsel im sozialgerichtlichen Verfahren. Krankenversicherung. Festbetragsfestsetzung. Allgemeinverfügungen der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 7.4.2008 bezüglich der Festbetragsfestsetzung für den Wirkstoff Atorvastatin und Absenkung des Festbetrages für die Wirkstoffgruppe der HMG-CoA-Reduktasehemmer rechtmäßig. Klagebefugnis des betroffenen Arzneimittelherstellers

 

Orientierungssatz

1. Die prozessuale Stellung einer beklagten Behörde bleibt grundsätzlich unberührt, wenn nach Erhebung einer Klage eine andere Behörde für den Erlass der streitgegenständlichen Entscheidung zuständig wird. Eine Ausnahme gilt dann, wenn der Zuständigkeitswechsel auf einem Organisationsakt der Verwaltung beruht.

2. Die Hersteller eines von der Festbetragsfestsetzung betroffenen Arzneimittels sind klagebefugt iS von § 54 Abs 1 S 2 SGG.

3. Die Allgemeinverfügung der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 7.4.2008 bezüglich der Festsetzung eines Festbetrages für den Wirkstoff Atorvastatin war formell als auch materiell rechtmäßig. Auch die Allgemeinverfügung der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 29.10.2004 und 10.2.2006 bezüglich der Absenkung des Festbetrages für die Wirkstoffgruppe der HMG-CoA-Reduktasehemmer verstößt nicht gegen höherrangiges Recht (vgl LSG Berlin-Brandenburg vom 2.12.2009 - L 9 KR 8/08).

4. Es ist kein Material der evidenzbasierten Medizin ersichtlich, das den Gemeinsamen Bundesausschuss tatsächlich und im Sinne einer Reduzierung seines gesetzgeberischen Ermessens aus Null gezwungen hätte, Atorvastatin aus der Festbetragsgruppe der Statine nach der ab 1.5.2006 geltenden Rechtslage herauszunehmen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 01.03.2011; Aktenzeichen B 1 KR 10/10 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung eines Festbetrages für den Wirkstoff Atorvastatin in der Festbetragsgruppe der HMG-CoA-Reduktasehemmer. Streitig ist dabei nur noch die Rechtmäßigkeit der derzeit geltenden Allgemeinverfügung der ehemaligen Spitzenverbände der Krankenkassen vom 7. April 2008.

Der im Jahre 1954 geborene Kläger ist freiwillig krankenversichert bei der Techniker Krankenkasse. Er leidet an erhöhten Blutfettwerten (Hyperlipoproteinämie) und beginnender geringer Arteriosklerose in den Halsschlagadern. Hinweise für eine koronare Herzerkrankung bestehen nicht. Seine Therapie hat die Absenkung des LDL-Cholesterin-Werts zu verfolgen. Seit dem Jahr 2003 erfolgte die Therapie mit Sortis® 20 mg/d (Wirkstoff Atorvastatin); durch diese Behandlung erreichte der LDL-Cholesterin-Wert die angestrebte Größe von unter 70 mg/dl (vgl. Attest des behandelnden Internisten Dr. A vom 3. Januar 2005). Seit dem Jahr 2005 erfolgt eine Therapie mit dem Kombipräparat Inegy® 10/20, zusammengesetzt aus den Wirkstoffen Ezetimib und Simvastatin. Auch unter dieser Therapie wurde der Zielwert von unter 70 mg/dl LDL-Cholesterin erreicht; laut Attest des behandelnden Internisten vom 21. Januar 2008 erfolge eine “optimale LDL-Senkung„, Inegy 10/20 werde vom Kläger “bestens vertragen„.

Atorvastatin gehört zur Wirkstoffgruppe der Statine, wird synthetisch hergestellt, hemmt die HMG-CoA-Reduktase und senkt auf diese Weise das LDL-Cholesterin. Der Wirkstoff ist enthalten in dem seit 1997 in Deutschland hergestellten und vertriebenen Fertigarzneimittel Sortis®. Atorvastatin wurde am 17. Dezember 1996 zugelassen und genießt bis 2011 Patentschutz. Die Zulassung erfasste zunächst die Wirkstärken 10, 20, 40 mg, später auch die Wirkstärke 80 mg.

Nach der Fachinformation mit Stand vom Januar 2003 (Wirkstärken 10, 20, 40 mg) bzw. Januar 2006 (Wirkstärken 10, 20, 40 und 80 mg) erstreckte sich die Zulassung von Sortis® auf folgende Anwendungsgebiete:

Die Anwendung von Sortis ist zusätzlich zu einer Diät angezeigt zur Senkung erhöhter Gesamtcholesterin-, LDL-Cholesterin-, Apo-Lipoprotein-B- und Triglyzeridspiegel bei Patienten mit Primärer Hypercholesterinämie, einschließlich Familiärer Hypercholesterinämie (heterozygote Variante) oder Kombinierter (Gemischter) Hyperlipidämie (entsprechend Typ II a und II b nach Fredrickson), wenn Diät und andere nicht pharmakologische Maßnahmen keine ausreichende Wirkung erbringen.

Sortis ist auch zur Senkung von Gesamt- und LDL-Cholesterin bei Patienten mit Homozygoter Familiärer Hypercholesterinämie angezeigt - entweder zusätzlich zu anderen lipidsenkenden Maßnahmen (z. B. LDL-Apherese) oder falls solche Behandlungsmöglichkeiten nicht verfügbar sind.

Seit Mai 2006 enthält die Fachinformation zusätzlich zur Hypercholesterinämie folgendes Anwendungsgebiet:

Vorbeugung kardiovaskulärer Erkrankungen

Zur Vorbeugung kardiovaskulärer Ereignisse bei Patienten, deren Risiko für ein erstes kardiovaskuläres Ereignis als hoch eingestuft wird, zusätzlich zur Behandlung weiterer Risikofaktoren.

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2003 setzte der Arbeitsaus...

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