Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermittlung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung durch den Grundsicherungsträger

 

Orientierungssatz

1. Der angemessene Bedarf des Grundsicherungsberechtigten für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB 2 ist nach einem schlüssigen Konzept zu ermitteln. Zusätzlich ist zu prüfen, ob angemessener Wohnraum tatsächlich zur Verfügung steht und in hinreichender Zahl auf dem Wohnmarkt allgemein zugänglich angeboten wird (BSG Urteil vom 3. 9. 2020, B 14 AS 37/19 R).

2. Ist Letzteres nicht feststellbar, so sind mangels eines in rechtlich zulässiger Weise bestimmbaren Angemessenheitswerts die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft zugrunde zu legen, begrenzt durch die Werte nach dem WoGG, zuzüglich eines Zuschlags von 10 % (BSG Urteil vom 30. 1. 2019, B 14 AS 24/18 R).

3. Bei Fehlen eines kommunalen Heizspiegels sind den angemessenen Heizungskosten die oberen Grenzwerte des bundesweiten Heizspiegels zugrunde zu legen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird der Bescheid des Beklagten vom 22. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2014 aufgehoben und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2017 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, den Klägern 492,26 Euro zu zahlen.

Der Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Betriebs- und Heizkosten für die Zeit vom 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013 in Höhe von 492,26 Euro.

Die 1969 geborene Klägerin zu 1) und ihr 1997 geborener Sohn, der Kläger zu 2), beziehen von dem Beklagten seit längerem laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Die Kläger bewohnten zunächst eine Wohnung in B, A Straße, für die zuletzt eine Miete in Höhe von 438,00 Euro monatlich zu zahlen war. Am 9. Juni 2010 teilte der Beklagte auf einen kurz zuvor gestellten Antrag der Kläger mit, dass er dem Umzug der Kläger zustimme und zukünftig Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht würden, soweit diese angemessen seien und ein Leistungsanspruch bestehe. Der Mietzins inclusive Betriebskosten und Kosten für Heizung und Warmwasser solle für zwei Personen 444,00 Euro monatlich nicht übersteigen.

Zum 1. September 2010 mieteten die Kläger ihre jetzige Wohnung in der L A, B. Diese wird zentral mittels Fernwärme beheizt, wobei die beheizte Gebäudefläche 1000 qm übersteigt und zentral mit Warmwasser versorgt wird. Die Wohnungsgröße beträgt 62,68 qm. Hierfür war zunächst eine monatliche Bruttowarmmiete in Höhe von 510,84 Euro zu zahlen (Grundmiete 344,74 Euro, Vorauszahlung für Betriebskosten 103,42 Euro und für Heizkosten 62,86 Euro), ab dem 1. Juni 2013 in Höhe von 527,50 Euro (Grundmiete wie zuvor, Vorauszahlungen für Betriebskosten monatlich 110,08 Euro, Vorauszahlungen für Heizkosten monatlich 72,68 Euro).

Der Beklagte berücksichtigte seit dem Umzug bei der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II einen Bedarf der Kläger für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 444,00 Euro. Er übernahm Nachzahlungen aus der Betriebskostenabrechnung vom 10. Mai 2012 in Höhe von 221,00 Euro (Abrechnungszeitraum 1. Juli 2010 bis 30. Juni 2011) und aus der Betriebskostenabrechnung vom 6. Mai 2013 in Höhe von 110,14 Euro (Abrechnungszeitraum 1. Juli 2011 bis 30. Juni 2012).

Für den streitigen Leistungszeitraum gewährte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 16. Mai 2012 für den Zeitraum vom 1. Juni 2012 bis 30. November 2012 Bedarfe für Kosten der Unterkunft und Heizung in monatlicher Höhe von 444,00 Euro; ebenso mit Bescheid vom 26. Oktober 2012 für den Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis 31. Mai 2013.

Mit Änderungsbescheid vom 21. Mai 2013 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass nach § 22 Abs. 1 SGB II i. V. m. der Wohnaufwendungsverordnung (WAV) die Unterkunftskosten für zwei Personen ab dem 1. Juni 2013 auf 486,00 Euro festgelegt worden seien. Ab dem 1. Juni 2013 berücksichtigte der Beklagte monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung in dieser Höhe.

Am 8. Mai 2014 erstellte der Vermieter über die Betriebs- und Heizkosten für die Zeit vom 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013 eine Betriebskostenabrechnung, daraus ergab sich für die Kläger eine Nachzahlung in Höhe von 492,26 Euro, fällig zum 1. Juli 2014.

Die Klägerin beantragte daraufhin am 21. Mai 2014 die Übernahme der Kosten.

Der Beklagte lehnte den Antrag ab. Nachzahlungen für Zeiträume, in denen die Kosten der Wohnung nach Durchführung des Kostensenkungsverfahrens auf das angemessene Maß reduziert worden seien, seien nicht zu übernehmen. Bei den Klägern seien die Kosten der Unterkunft ab dem 1. September 2010 festgesetzt worden (Bescheid vom 22. Mai 2014).

Mit Bescheid vom 4. Juni 2014 und Änderungsbescheid vom 12. Juni 2014 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die...

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