Entscheidungsstichwort (Thema)

Versagung eines Zuschlags von persönlichen Entgeltpunkten bei zu Unrecht anerkannter Kindererziehungszeit

 

Orientierungssatz

1. Nach § 307d Abs. 1 SGB 6 wird bei einem Anspruch auf Rente am 1. 7. 2014 ein Zuschlag an Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. 1. 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn in der Rente eine Kindererziehungszeit für den 12. Monat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und kein Anspruch nach §§ 294, 294a SGB 6 besteht.

2. Auch im Rahmen des § 307d SGB 6 darf ein Zuschlag an Entgeltpunkten zu einer objektiv rechtswidrig anerkannten Kindererziehungszeit nicht erfolgen.

3. Der Sozialversicherungsträger ist berechtigt, trotz Unaufhebbarkeit eines Verwaltungsaktes bereits zugesprochene Leistungen einzufrieren und auf Erhöhungen zu verrichten. Dann ist es auch zulässig, an einen bestandskräftigen Verwaltungsakt anknüpfende neue Rechte zu versagen.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. August 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt höhere Altersrente (AR) für Frauen für die Zeit ab 1. Juli 2014 unter Berücksichtigung eines Zuschlags an persönlichen Entgeltpunkten (EP) für die Erziehung ihrer am 29. Januar 1971 in G (ehemalige CSSR) geborenen Tochter E.

Die 1946 in Z (1949 in G umbenannt) geborene Klägerin übersiedelte nach ihrer Heirat am 11. Februar 1972 in die Bundesrepublik Deutschland und besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit; eine Anerkennung nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) erfolgte nicht. Seit Sommer 2011 lebt die Klägerin in der T R.

Mit Schreiben vom 28. Oktober 2003 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe mit (nicht in den Verwaltungsakten enthaltenem) Bescheid vom 10. Mai 2000 rechtswidrig eine Kindererziehungszeit (KEZ) vom 1. Februar 1971 bis 31. Januar 1972 anerkannt; die Erziehung sei im Ausland erfolgt. Eine Rücknahme des Bescheides sei nicht mehr möglich, so dass die KEZ bei künftigen Leistungsansprüchen berücksichtigt werde. Die sich dann ergebende höhere Rente werde solange unverändert gezahlt, bis die aus den eigentlich zu berücksichtigenden Zeiten berechnete niedrigere Rente infolge der Rentenanpassungen diesen Betrag erreiche. Die Beklagte merkte sodann im Kontenklärungsverfahren für die Tochter E erneut eine Kindererziehungszeit (KEZ) vom 1. Februar 1971 bis 31. Januar 1972 vor (Bescheid vom 5. November 2003).

Auf den AR-Antrag vom April 2009 bewilligte die Beklagte der Klägerin AR für Frauen mWv 1. Mai 2009 (Bescheid vom 17. Juni 2009) iH eines monatlichen Zahlbetrags von 455,29 € ab 1. August 2009. In dem Bescheid heißt es ua, dass die mit Bescheid vom 10. Mai 2000 festgestellten rentenrechtlichen Zeiten der Berechnung der Rente zugrunde zu legen seien. Es erfolge aber zwingend eine Aussparung nach § 48 Abs. 3 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), was bedeute, dass bei künftigen Rentenanpassungen die sich aus der beiliegenden Rentenberechnung - die ohne die KEZ vom 1. Februar 1971 bis 31. Januar 1972 erfolgte - ergebenden Merkmale zugrunde gelegt würden. In der Anlage 1 des Bescheides sind die ohne die KEZ errechneten Rentenzahlbeträge sowie die - höheren - ausgezahlten Rentenwerte mit der KEZ für die Zeit ab 1. Mai 2009 aufgeführt.

Anlässlich der mWv 1. Juli 2014 eingeführten gesetzlichen Änderungen (“Mütter-Rente„) stellte die Beklagte die AR der Klägerin unter Berücksichtigung eines Zuschlages an EP für die beiden 1976 und 1981 in Deutschland geborenen und erzogenen Söhne der Klägerin neu fest (Bescheid vom 17. September 2014; Zahlbetrag ab 1. Juli 2014 = 577,18 €). Den Widerspruch der Klägerin, mit dem diese auch einen Zuschlag an EP für die Tochter E begehrte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2015 unter Hinweis auf die erfolgte Aussparung zurück, die auch im Rahmen des § 307d Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) zu berücksichtigen sei.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die auf höhere AR unter Berücksichtigung eines Zuschlags an EP auch für die Tochter gerichtete Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 16. August 2016). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Der Klägerin stehe höhere AR im Hinblick auf die objektiv rechtswidrig erfolgte Anrechnung der KEZ für die Tochter nicht zu. Ein Zuschlag an EP nach Maßgabe von § 307d SGB VI komme nur in Betracht, wenn in der Bestandsrente eine KEZ für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Geburtsmonats rechtmäßig angerechnet worden sei. Dies sei im Falle der in der CSSR erzogenen Tochter Ester indes nicht der Fall. Die bestandskräftige Aussparungsentscheidung wirke auch insoweit.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Sie beantragt nach ihrem Vorbringen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. August 2016 aufzuheben und die Beklag...

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