Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse. Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. häusliche Pflege. Bewilligung eines Wohngruppenzuschlags durch den Träger der sozialen Pflegeversicherung. zweckentsprechende Leistung iS des § 66 Abs 4 S 1 SGB 12. Deckungsgleichheit. keine Aufhebung für die Vergangenheit. Erstattungsanspruch nach § 104 Abs 1 SGB 10. Erfüllungsfiktion

 

Orientierungssatz

1. Zwischen dem Wohngruppenzuschlag nach § 38a SGB 11 und den ergänzenden Leistungen der Hilfe zur Pflege in Form der Berliner Tagespauschale für Demenz-Wohngemeinschaften (Leistungskomplexe 19 und 38) besteht Deckungsgleichheit.

2. Der Wohngruppenzuschlag ist mithin eine zweckentsprechende Leistung nach anderen Rechtsvorschriften iS des § 66 Abs 4 S 1 SGB 12, die für die bewilligte Hauspflege in einer Pflegewohngruppe einzusetzen ist.

3. Soweit die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB 10 reicht, schließt sie eine Aufhebung bzw Rücknahme der Leistungsbewilligung durch den Leistungsträger, der den Erstattungsanspruch hat, nach den §§ 44ff SGB 10 und einen Erstattungsanspruch nach § 50 SGB 10 aus (vgl BSG vom 22.6.2010 - B 1 KR 21/09 R = BSGE 106, 206 = SozR 4-1300 § 103 Nr 3).

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten und die Berufung der Klägerin werden zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 30. September 2013 den Erhalt der ihr vom Beklagten bewilligten Leistungen der Hilfe zur Pflege ohne Abzug des ihr von der Pflegekasse bewilligten Wohngruppenzuschlags. Der Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen die Aufhebung seines Bescheides für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 30. Mai 2013.

Bei der 1914 geborenen Klägerin lagen nach einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) vom 31. Januar 2007 eine beginnende Demenz, beidseitige Coxarthrose, Harninkontinenz, schwere motorische Funktionseinschrän-kungen und ein Hypertonus vor. Sie erhielt von der BARMER GEK, der Pflegekasse (Beigeladene zu 2) Pflegesachleistungen nach § 36 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) der Pflegestufe II (1.250 Euro) sowie zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach § 45 a, b SGB XI (200 Euro).

Die Klägerin wohnt seit Dezember 2007 in einer ambulant betreuten Pflegewohngruppe (WG). Seit dem 1. Juni 2012 unter der im Rubrum benannten Adresse. Mit ihr wohnen sechs weitere Personen in der Wohnung, die von dem Pflegedienst S M GmbH (Beigeladene zu 1) rund um die Uhr betreut werden.

Am 14. Dezember 2006 schlossen die Klägerin und die Beigeladene zu 1) einen Vertrag über die Erbringung von Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung. Der jeweils aktuelle Modulbogen, aus dem sich Art und Umfang der vereinbarten pflegerischen und hauswirtschaftlichen Leistungen ergeben, ist Bestandteil des Pflegevertrages. Seit dem Einzug in die Pflege-WG bestimmten die Parteien den Hilfebedarf mit 1 x täglich LK 19 (Versorgung und Betreuung in Wohngemeinschaften von an Demenz erkrankten Pflegebedürftigen) und 1 x täglich LK 38 (Hilfe in Wohngemeinschaften für demente Pflegebedürftige) an sieben Tagen die Woche (zuletzt mit Modulbogen vom 23. August 2012 für die Zeit ab dem 1. Oktober 2012). Der beklagte Sozialhilfeträger erbrachte diesem Bedarf entsprechend an die Klägerin Leistungen der Hilfen zur Pflege nach § 61 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).

Das Land Berlin, die Landesverbände der Pflegekassen und die Wohlfahrts- und Pflegeverbände (darunter der Arbeitgeberverband im Gesundheitswesen ≪AVG≪, deren Mitglied die Beigeladene zu 1) ist) schlossen am 15. November 2006 mit Wirkung zum 1. Januar 2007 einen Rahmenvertrag nach § 75 Abs. I und 2 SGB XI zur ambulanten pflegerischen Versorgung von Pflegebedürftigen in Berlin. Gegenstand der Vereinbarung sind die in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Hilfeleistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung.

Auf Grundlage dieses Rahmenvertrages schlossen die Beigeladenen zu 1) und 2) sowie das Land Berlin am 20. Mai 2011 eine Vereinbarung über die Vergütung der ambulanten Pflegeleistungen und der hauswirtschaftlichen Versorgung gemäß § 89 SGB XI (sog. Dreiseitiger Vertrag) für die Zeit ab Juni 2011. Hierin sind u.a. die Leistungsinhalte für die einzelnen Tätigkeiten der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung in Form einzelner Leistungskomplexe (LK 1-19) sowie deren Vergütung geregelt. Nach § 3 Abs. 4 dieser Vereinbarung sind mit den vertraglichen Vergütungssätzen die vertraglichen Leistungen abgegolten. Eine Differenzierung in der Vergütung gegenüber den Kostenträgern und den Pflegebedürftigen ist unzulässig. Zuzahlungen von Pflegebedürftigen dürfen die Pflegeeinrichtungen für die vertragsmäßig abgegoltenen Leistungen weder fordern noch annehmen. Zudem besteht ergänzend zwischen dem Land Berlin als Träger de...

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