Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 3102. Borreliose. Nachweis. Zeckenbiss. besonders erhöhte Infektionsgefahr. berufliche Teilaufgabe

 

Orientierungssatz

1. Für die Anerkennung von Borreliose als Berufskrankheit nach BKV Anl 1 Nr 3102 ist der Nachweis eines konkreten Zeckenbisses nicht erforderlich.

2. Eine Exposition gegen Zeckenstiche (hier eines Begehers von Fließgewässern) bringt auch dann ein gegenüber der Normalbevölkerung deutlich erhöhtes Borrelieninfektionsrisiko mit sich, wenn sie nur über die Hälfte der regelmäßigen vollschichtigen, wöchentlichen Arbeitszeit besteht.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 21. September 2012 sowie der Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 28. Mai 2009 aufgehoben und festgestellt, dass beim Kläger die Berufskrankheit nach Nr. 3102 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung in Form einer Borrelieninfektion vorliegt.

Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt gegenüber der Beklagten die Feststellung der Berufskrankheit nach Nr. 3102 der Anlage 1 (BK 3102 - von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten) zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Unter dem 20. Juni 2008 erstattete der Gewässerverband K durch seinen Geschäftsführer B eine “Anzeige des Unternehmens bei Anhaltspunkten für eine Berufskrankheit„ (BK-Anzeige) für den dort beschäftigten Kläger. In der BK-Anzeige heißt es u.a., der Kläger sei in den zurückliegenden Jahren bereits mehrfach durch Entzündungen der Gelenke kurzzeitig erkrankt und arbeitsunfähig gewesen. Er habe als Beschwerden immer Schwellungen und Schmerzen im Bereich des Kniegelenks, Handgelenks und Ellenbogens sowie eine Schwellung im Knöchel geäußert. Bei Untersuchungen auf rheumatisches Fieber sei im August 2007 ein Verdacht auf eine chronische Borreliose festgestellt worden. Dieser Verdacht habe sich später bestätigt, und es werde davon ausgegangen, dass auch die früheren Gelenkentzündungen bereits Borrelioseanfälle gewesen seien. Eine weitere Laboruntersuchung vom Mai 2008 habe eine aktive Borrelieninfektion im fortgeschrittenen Stadium ergeben. Der Kläger arbeite in der Gewässerunterhaltung auf Flächen mit einer typischen Vegetation, in der Zecken lebten. Er sei mehrfach von Zecken gebissen worden; oftmals seien die Bisse nicht bemerkt worden und lägen schon Jahre zurück. Dies erkläre das Stadium III der Spätborreliose. Der Kläger sei als Verbandstechniker für Gewässerunterhaltung in der Gewässermeisterei S tätig. Hier seien jährlich ca. 300 km Gräben, Bäche, Flüsse zu pflegen und zu beräumen. Somit sei an zwei bis drei Tagen pro Woche über das ganze Jahr hinweg das Begehen der Flächen mit für Zecken typischer Vegetation erforderlich. Zecken seien in den Monaten April bis Oktober aktiv. In dieser Zeit würden folgende Arbeiten durchgeführt: von April bis Juni Landschaftspflegemaßnahmen, Mäharbeiten an Deichen, Vorländern, Schafhutung an wasserwirtschaftlichen Anlagen; von Juni bis Oktober Mähen, Räumen, Reinigen der Wasserläufe und dazugehöriger Böschungsflächen, Gewässerrandstreifen. Die typische Vegetation auf diesen Flächen sei Gebüsch, Unterholz auf großen Flächen mit hohem Gras und Kraut. In dieser Zeit sei täglicher Kontakt zur typischen Vegetation und damit zu Zecken auf diesen Flächen gegeben. Gefährdende Einwirkungen durch Zeckenbisse seien bei diesen Arbeiten ständig vorhanden und nicht auszuschließen. Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen seien 1999 und 2004 durch Dr. K durchgeführt worden. Es seien folgende Schutzmaßnahmen festgelegt gewesen: Das Personal müsse Schutzkleidung tragen, die einen wirksamen Schutz gegen direkten Kontakt mit Oberflächenwasser, Erdreich, Insekten (besonders Zecken) ermögliche; bei manuellen Krautungs- und Holzungsmaßnahmen im Gestrüpp seien Kopfbedeckung und eng anliegende Kleidung zum Schutz vor Zeckenstichen zu tragen, wenn nicht ohnehin die Schutzbekleidung bei Arbeiten mit Freischneidern getragen werden müsse; Waschgelegenheiten müssten für das Personal vorhanden sein. Der Kläger habe sich stets an die Einhaltung der festgelegten Schutzmaßnahmen gehalten, sei aber trotzdem von Zecken gebissen worden, weil ein absolut sicherer Kontaktschutz bei der Ausführung der Arbeiten nicht zu sichern sei.

Die Beklagte befragte den Kläger schriftlich. Dieser machte unter dem 30. Juli 2008 folgende Angaben: Er sei beim Gewässerverband seit Juli 1996 als Verbandstechniker beschäftigt. Zu seinen Tätigkeiten gehörten die Organisation, Überwachung und Abrechnung der Gewässerunterhaltung. Dies betreffe jährlich ca. 300 km Gräben, Bäche und Flüsse. Wesentliche Tätigkeiten seien die Mitwirkung bei der Lösung der vielfältigen wasserwirtschaftlichen Aufgaben im Verbandsgebiet, neben der Organisation, Überwachung und Abrechnung der Gewässerunterhal...

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