Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bildung und Teilhabe. Schulausflug. Zirkusprojekt auf dem Schulgelände. kein Mehrbedarf wegen unabweisbarem Bedarf. verfassungskonforme Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine in dem Schulgebäude oder auf dem Schulgelände stattfindende Projektveranstaltung ist kein Schulausflug im Sinne von § 28 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB II.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 08.03.2023; Aktenzeichen B 7 AS 9/22 R)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 28. November 2019 wird auf die Berufung des Beklagten aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Leistungen zur Bildung und Teilhabe (BUT) für die Teilnahme an einem von der Schule im Rahmen einer Projektwoche organisierten Zirkusprojekts.

Die 2010 geborene Klägerin lebte im streitgegenständlichen Zeitraum bei ihrer Mutter, die das alleinige Sorgerecht inne hat. Als Teil der Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Mutter bezog die Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Beklagten. Der Beklagte bewilligte die Leistungen für den Zeitraum vom 01. Oktober 2017 bis zum 31. März 2018 mit Bescheid vom 30. Januar 2018 sowie für den Zeitraum vom 01. April 2018 bis zum 31. August 2018 mit Bescheid vom 13. März 2018 in der Fassung des Bescheides vom 24. August 2018.

Mit Schreiben vom 12. März 2018 beantragte die stellvertretende Schulleiterin der von der Klägerin seit dem 04. September 2017 besuchten Schule mit einem formularmäßigen Antrag auf Kostenübernahme von Schulausflügen und Schulveranstaltungen im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen für 14 Schülerinnen und Schüler, unter anderem auch für die Klägerin, die Übernahme der Kosten für die Teilnahme am Projekt Circus . Dem Antrag war ein Vertrag zwischen dem Projekt Circus und der von der Klägerin besuchten Schule beigefügt. Danach sollte das Projekt vom 09. April 2018 bis zum 13. April 2018 in der Schule stattfinden und der Preis für die Ausbildung pro Kind 10 Euro betragen. Das Zirkusprojekt war so ausgestaltet, dass es von Montag bis Freitag dauern und alle 186 Schülerinnen und Schüler der Schule in den Klassenstufen 1 bis 6 teilnehmen sollten.

Mit Bescheid vom 15. März 2018 lehnte der Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass das Projekt vollumfänglich auf dem Schulgelände stattfinde und es sich somit nicht um einen Ausflug im Sinne der schulrechtlichen Bestimmungen handele.

Mit weiterem Bescheid vom 27. März 2018 bewilligte der Beklagte der Klägerin auf ihren Antrag vom 16. März 2018 für die Zeit vom 01. April 2018 bis zum 31. März 2019 Leistungen für eintägige Schulausflüge als Gutschein. Danach übernahm der Beklagte die tatsächlichen Kosten für eintägige Schulausflüge der von der Klägerin besuchten Schule. Für die Geltendmachung der Kosten vor dem Ausflug war das Formular „Antrag auf Kostenübernahme von Schulausflügen und -veranstaltungen im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen“ von der Schule zu nutzen.

Die Klägerin nahm an dem Zirkusprojekt teil, ohne hierfür eine Förderung durch Dritte in Anspruch genommen zu haben. Die Durchführung des Projekts erfolgte auf dem Sportplatz der Schule und im Zirkuszelt, das auf dem Schulgelände aufgebaut war.

Den gegen den Ablehnungsbescheid vom 15. März 2018 erhobenen Widerspruch der Klägerin vom 14. April 2018 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2018, abgesandt am 19. Juli 2018, zurück. Die Kindern und Jugendlichen im Bereich der BUT zu gewährenden Bedarfe seien in § 28 Abs. 2 bis 7 SGB II abschließend geregelt. Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 SGB II würden bei Schülern die tatsächlichen Aufwendungen für Schulausflüge und mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen anerkannt. Bei dem Zirkusprojekt handele es sich jedoch nicht um eine solche Veranstaltung. Schulische Veranstaltungen, die - wie das Zirkusprojekt - auf dem Schulgelände stattfinden, seien von der Vorschrift nicht erfasst.

Mit ihrer beim Sozialgericht Cottbus (SG) am 21. August 2018 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Das SG Cottbus hat mit Urteil vom 28. November 2019 den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 15. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2018 verurteilt, an die Klägerin 10 Euro für die Teilnahme am Zirkusprojekt zu zahlen. Die Klägerin habe einen Anspruch auf die Kostenübernahme für das Zirkusprojekt aus § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Nach dieser Vorschrift seien die tatsächlichen Aufwendungen für Schulausflüge anzuerkennen. Bei dem Zirkusprojekt handele es sich um einen Schulausflug. Kennzeichnend dafür sei die schulische Verantwortung, die sich auf Organisation und Durchführung der außerunterrichtlichen Aktivität beziehe. Es könne keine Rolle spielen, ob die Aktivität im unmittelbaren Umfeld des Schulgeländes oder sogar in der Schule stattfinde. Sinn und Zweck der Vorschrift sei die gleic...

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