Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung. Zuflusstheorie. Betriebskostenerstattung als Einkommen aufgrund unfreiwilliger Ansparung durch Betriebskostenvorschüsse

 

Orientierungssatz

1. Zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen ist die vom BVerwG zur Sozialhilfe entwickelte Zuflusstheorie heranzuziehen, da die Regelungen der §§ 11ff SGB 2 im Wesentlichen den Bestimmungen des Sozialhilferechts entsprechen (vgl BVerwG vom 18.02.1999 - 5 C 35/97 = BVerwGE 108, 296). Grundsätzlich ist danach von dem tatsächlichen Zufluss auszugehen, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt.

2. Eine Betriebskostenerstattung ist nicht deshalb als Vermögen anzusehen, weil durch die monatliche Zahlung eines Betriebskostenvorschusses ein Betrag angespart wird und nach Ablauf des Abrechnungszeitraumes so ein Guthaben bestehen kann. Da ein Betriebskostenerstattungsanspruch wie ein Steuererstattungsanspruch nicht freiwillig angespart wird, und die Freiwilligkeit des Ansparens für die Zuordnung der Auszahlung des Guthabens zum Vermögen oder Einkommen nach der Rechtsprechung des BVerwG maßgeblich ist, zählt die Betriebskostenerstattung zum Einkommen. Sie ist auch dann als Einkommen zu berücksichtigen, wenn in dem Zeitraum, in dem die entsprechenden Betriebskostenvorschüsse entrichtet wurden, noch keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bezogen wurden.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 10. März 2006 geändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird in vollem Umfang abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten für das gesamte Verfahren sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (§ 174 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig und begründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierbei dürfen Entscheidungen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 -).

Bei Anwendung dieser Grundsätze liegt zwar ein Anordnungsgrund vor, jedoch ist kein Anordnungsanspruch gegeben.

Der Antragsteller hat einen über den mit Bescheid vom 18. Oktober 2005 bewilligten Anspruch auf Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes hinausgehenden Anspruch in Höhe von 177,45 Euro monatlich für den Zeitraum 1. Januar 2006 bis 30. April 2006 nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner hat zu Recht in dem Bescheid die Betriebskostenerstattung als Einkommen des Antragstellers berücksichtigt.

Der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß § 19 Satz 1 SGB II setzt unter anderem Hilfebedürftigkeit des Antragstellers voraus. Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB II derjenige, der seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigen Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Gemäß § 11 Abs. 1 SGB II sind als Einkommen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch sowie weitere aufgezählte Leistungen zu berücksichtigen. In Abs. 2 der Norm ist geregelt, welche Steuern, Beiträge und Aufwendungen von dem Einkommen abzusetzen sind. Des Weiteren ist in § 11 Abs. 3 SGB II aufgelistet, welche Einnahmen und Entschädigungen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind. Ferner sind in der aufgrund § 13 SGB II erlassenen Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld vom 20. Oktober 2004 (BGBl I. S. 2622, geändert am 22. August 2005 mit Wirkung vom 1. Oktober 2005 (BGBl I S. 2499) - Alg II-V -) weitere Einnahmen aufgelistet, die beim Einkommen nicht berücksichtigt werden.

Zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen ist die vom Bundesverwaltungsgericht zur Sozialhilfe entwickelte Zuflusstheorie heranzuziehen, da die Regelungen der §§ 11 ff. SGB...

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