Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen Erstattungsbescheid und erklärte Aufrechnung. faktischer Vollzug. Aufhebung der Vollziehung

 

Orientierungssatz

1. Der Widerspruch gegen einen Erstattungsbescheid, mit welchem nach erfolgter Aufhebung bzw. Rücknahme einer konkreten Leistungsbewilligung  von Leistungen nach dem SGB II die Rückzahlung der geleisteten Geldbeträge vom Empfänger nach § 50 SGB X verlangt wird, hat nach § 86a Abs. 1 S. 1 SGG kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung ist nicht nach § 39 Nr. 1 SGB II i.S. von § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG ausgeschlossen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.07.2006 - L 10 B 345/06 AS ER).

2. Auch dem Widerspruch gegen die Vollziehung der Erstattung durch Aufrechnung gemäß §§ 43 SGB II, 51 SGB I kommt aufschiebende Wirkung zu. Die Aufrechnung greift nicht in den Bestand des rechtsbegründenden Bewilligungsbescheides ein. Der Anspruch als solcher wird durch die Aufrechnung weder entzogen noch gemindert, sondern setzt diesen sogar voraus, weil durch die Aufrechnung der Anspruch des Hilfebedürftigen auf die SGB II Leistungen erfüllt wird. Durch die Aufrechnung bleibt dieser Anspruch selbst unberührt.

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. August 2006 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Widerspruch der Antragsteller gegen den Bescheid vom 6. Juli 2006, soweit darin die Erstattung von Arbeitslosengeld II in Höhe von 252,45 Euro verlangt und die Aufrechnung erklärt wird, aufschiebende Wirkung hat. Die Aufhebung der Vollziehung des Bescheides vom 6. Juli 2006 wird angeordnet, soweit für März 2006 Leistungen in Höhe von 107,41 Euro einbehalten worden sind.

Der Antragsgegner hat den Antragstellern die Kosten des gesamten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die verheirateten, nicht dauernd getrennt lebenden Antragsteller beziehen seit 1. Januar 2005 durchgehend Leistungen vom Antragsgegner, daneben erzielen sie Nebeneinkommen in wechselnder Höhe. Für die Monate März 2006 bis August 2006 sind ihnen zunächst Leistungen in Höhe von monatlich 823,65 Euro bewilligt worden, die für die Zeit vom 1. März 2006 bis zum 31. Juli 2006 auch zur Auszahlung gekommen sind. Auf entsprechende Einwände zur Anrechnung des Nebeneinkommens hin sind die Leistungen für den gesamten Bewilligungszeitraum neu festgestellt worden. Für den Monat August 2006 wurden Leistungen in Höhe von 922,85 Euro bewilligt, die auch zur Auszahlung gekommen sind. Für den übrigen Zeitraum ergab sich eine Nachzahlung in Höhe von 669,80 Euro (Bescheid vom 6. Juli 2006; im Folgenden Bewilligungsbescheid). Mit Schreiben vom 6. Juli 2006 teilte der Antragsgegner den Antragstellern mit, dass sämtliche Änderungen hinsichtlich des Einkommens der Antragstellerin zu 2) sowie Änderungen der Miete nachträglich berücksichtigt worden seien. Insgesamt sei es dabei zu einer Überzahlung in den Monaten 5/05 bis 2/06 in Höhe von 252,45 Euro gekommen. Durch die Bereinigung des Anrechnungsbetrages im Einkommen der Antragstellerin zu 2) ergebe sich ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 814,84 Euro. Der Antragsgegner habe den Überzahlungsbetrag von der Nachzahlung einbehalten, so dass ein Betrag in Höhe von 562,39 Euro nachgezahlt werde. Sollten Einwände gegen diese Verrechnung erhoben werden, bestehe Gelegenheit sich innerhalb von 14 Tagen nach Zugang des Schreibens zu äußern. Dem Schreiben waren Berechnungsbögen für den Zeitraum von Februar 2005 bis Februar 2006 beigefügt.

Am 1. August 2006 sprachen die Antragsteller bei dem Antragsgegner wegen der ihres Erachtens zu niedrigen Nachzahlung aus dem Bewilligungsbescheid vor. Eine Einigung konnte bei diesem Gespräch nicht erzielt werden.

Mit ihrem Antrag zum Sozialgericht (SG) Berlin vom 2. August 2006 haben die Antragsteller geltend gemacht, ihnen die Differenz zum Nachzahlungsbetrag aus dem Bewilligungsbescheid auszuzahlen. Der Antragsgegner hat dargelegt, dass am 7. Juli 2006 eine Nachzahlung in Höhe von 562,39 für die Zeit vom April 2006 bis zum Juli 2006 angewiesen worden sei. Lediglich für März 2006 sei derzeit noch ein Betrag in Höhe von 107,41 Euro offen, der zusammen mit den Nachzahlungsbeträgen aus den vorangehenden Bewilligungsabschnitten für die Verrechnung mit den eingetretenen Überzahlungen offen gelassen worden sei. Der Antrag blieb ohne Erfolg (Beschluss des SG Berlin vom 25. August 2006).

II.

Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) hiergegen, der das Sozialgericht (SG) Berlin nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist im Wesentlichen begründet.

Da in Rechte beider Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft faktisch - durch die bereits vollzogene Aufrechnung - eingegriffen worden ist, bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags der Antragstellerin zu 2), auch wenn der Bescheid vom 6. Juli 2006 nur dem Antragsteller zu 1) gegenüber ergangen ist, denn sie ist durch die angegriffenen M...

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