Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Beginn der zweiwöchigen Frist zur Einlegung der Anhörungsrüge. Gegenvorstellung

 

Orientierungssatz

1. Die zweiwöchige Frist für die Erhebung der Anhörungsrüge nach § 178a Abs. 2 S. 1 SGG beginnt mit Zustellung des vollständigen Entscheidungstextes, wenn sich die Gehörsverletzung aus den gerichtlichen Entscheidungstexten nachvollziehen lässt, wobei die Kenntnis des Prozessbevollmächtigten dem Beteiligten zuzurechnen ist.

2. Der Rechtsbehelf der Gegenvorstellung ist auch nach Einführung der Anhörungsrüge durch Einführung des § 178a SGG weiterhin zulässig.

 

Tenor

Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 5. Dezember 2008 - L 27 B 953/07 R - wird als unzulässig verworfen.

Die Gegenvorstellung der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 5. Dezember 2008 - L 27 B 953/07 R - wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Anhörungsrüge- und Gegenvorstellungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

1. Die Anhörungsrüge ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie entgegen § 178a Abs. 2 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der Fassung des zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Anhörungsrügengesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I 3220) erst nach Ablauf von zwei Wochen nach Kenntnis von der gerügten Verletzung des rechtlichen Gehörs erhoben worden ist. Die zweiwöchige Frist wurde vorliegend durch die Zustellung des im Verfahren L 27 B 953/07 R ergangenen Beschlusses des Senats vom 5. Dezember 2008 am 17. Dezember 2008 in Gang gesetzt. Lässt sich die Gehörsverletzung aus den gerichtlichen Entscheidungsgründen nachvollziehen, ist die Zustellung des vollständigen Entscheidungstextes maßgebend, wobei die Kenntnis des Prozessbevollmächtigten dem Beteiligten zuzurechnen ist (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG - Kommentar, 9. Auflage 2009, § 178a Rn. 7). Vorliegend sieht sich die Klägerin durch den vorgenannten Beschluss des Senats, welcher, vollständig mit Gründen versehen, dem Prozessbevollmächtigten am Donnerstag, dem 17. Dezember 2008 zugestellt wurde, in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Hiernach lief die Frist gemäß § 64 Abs. 2 S. 1 SGG zwei Wochen später am Donnerstag, dem 31. Dezember 2008 ab, wohingegen die Anhörungsrüge erst am 15. Januar 2009 und damit verfristet bei Gericht einging.

2. Die zulässige Gegenvorstellung ist unbegründet. Der Rechtsbehelf der Gegenvorstellung ist auch nach Einführung der Anhörungsrüge durch Einfügung des § 178a SGG in das Sozialgerichtsgesetz weiterhin zulässig. Denn die Gegenvorstellung verfolgt das Ziel, den Fachgerichten die Möglichkeit zu eröffnen, ihr Verhalten unter bestimmten rechtlichen Gesichtspunkten nochmals zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Hingegen beschränkt sich die Anhörungsrüge des § 178a Abs. 1 SGG auf die Fortführung des Verfahrens, wenn ein Rechtsmittel oder ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (etwa Bundessozialgericht - BSG, Beschluss vom 28. Juli 2005 - B 13 RJ 178/05 B -, zitiert nach juris Rn. 4).

Die Gegenvorstellung ist indes unbegründet. Die Änderung eines an sich unanfechtbaren Beschlusses auf eine Gegenvorstellung hin ist möglich, wenn die getroffene Entscheidung in offensichtlichem Widerspruch zum Gesetz steht und insbesondere unter Verletzung von Grundrechten ergangen ist, so dass sie sonst nur im Wege der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden könnte, oder wenn die Entscheidung zu einem groben prozessualen oder sozialen Unrecht führen würde (BSG, a.a.O., Rn. 5). Die von der Klägerin vorgebrachten Gründe für die erhobene Gegenvorstellung zeigen keine derartig schwerwiegende Rechtsverletzung auf. Sie macht nämlich bloß geltend, dass der Beschluss des Senats fehlerhaft sei und Ihrer Auffassung nach die Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten gemäß § 193 SGG anzuordnen gewesen sei.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache selbst.

Der Beschluss kann gemäß § 178a Abs. 4 S. 3 beziehungsweise § 177 SGG nicht mit der Beschwerde ans BSG angefochten werden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2167218

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