Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Überschreitung der Angemessenheitsgrenze für Ein-Personen-Haushalt. kein Aufschlag im Ausnahmefall in Höhe von 10% bei fortbestehender Unterdeckung. Kostensenkungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Keine Überschreitung des Richtwertes um bis zu zehn Prozent im Ausnahmefall, wenn die tatsächlichen Kosten durch den Aufschlag nicht gedeckt werden können.

 

Orientierungssatz

1. Zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 ist in Berlin in Ermangelung von Richtlinien zu § 10 WoFG zum einen an die Bestimmungen zur Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen zur Belegung von nach dem WoFG belegungsgebundenen Wohnungen anzuknüpfen und zum anderen sind wegen fehlender Bestimmungen über den Mietwohnungsbau die Richtlinien über Förderungssätze für eigengenutztes Wohneigentum der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 25.5.1999 (Eigentumsförderungssätze 1999, ABl 1999, S 2918 ff) heranzuziehen.

2. Hiernach ist in Berlin für Ein-Personen-Haushalte eine Wohnfläche bis zu 50 qm angemessen. Unter Berücksichtigung der Berliner Mietspiegeltabelle 2007 kann als durchschnittlicher Mittelwert für einfache Wohnlagen und Ausstattungen für Neu- und Altbauten eine Nettokaltmiete von rund 4,54 Euro pro qm berücksichtigt werden. Darüber hinaus können nach dem Betriebskostenspiegel 2007 des Deutschen Mieterbundes 1,79 Euro pro qm für kalte Betriebskosten und 0,85 Euro pro qm als Heizkosten anerkannt werden.

3. Die sich hieraus für Ein-Personen-Haushalte in Berlin ergebende Angemessenheitsgrenze iS von § 22 SGB 2 von rund 360,00 Euro kann bei bestehendem Wohnraum in besonders gegründeten Einzelfällen - insbesondere bei Hilfebedürftigen nach Vollendung des 60. Lebensjahres und einer Wohndauer von mindestens 15 Jahren - um bis zu 10% überschritten werden.

4. Zur Zumutbarkeit von Maßnahmen zur Senkung der Unterkunftskosten nach Ablauf der 6-Monats-Frist gem § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 trotz Vorliegen verschiedener Erkrankungen.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. Juni 2008 wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin vom 1. August 2008 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. Juni 2008, mit dem der sinngemäße Antrag,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Anerkennung der tatsächlichen Aufwendungen zu gewähren,

zurückgewiesen worden ist, hat keinen Erfolg.

Die vierundsechzig Jahre alte Antragstellerin, die für ihre 76,24 Quadratmeter große Dreizimmerwohnung monatlich eine Bruttowarmmiete in Höhe von 849,02 EUR an den Vermieter entrichten muss, hat einen Anordnungsanspruch mit der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit nicht glaubhaft gemacht (§§ 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG], 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).

Sie kann einen Anordnungsanspruch nicht aus den §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 19 Satz 1, 22 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) herleiten. Nach der zuletzt genannten Vorschrift werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind hier nicht als angemessen anzusehen. Nach Ziffer 4 Abs. 2 der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung vom 7. Juni 2005 (AV-Wohnen, ABl. Berlin S. 3743, 3744, zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschriften vom 30. Mai 2006, ABl. Berlin S. 2062) gilt ein Betrag von 360,- EUR als Richtwert für die angemessene Bruttowarmmiete eines Einpersonenhaushalts. Dieser Richtwert ist aus den folgenden Gründen jedenfalls nicht zu gering bemessen:

Zur Feststellung der Angemessenheit der Unterkunftskosten bedarf es zunächst der Feststellung der angemessenen Wohnungsgröße. Hier ist die für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße zu Grunde zu legen, insbesondere die Werte nach dem Gesetz über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) in Verbindung mit den landesrechtlichen Bestimmungen (vgl. Bundessozialgericht, Urteile vom 7. November 2006, B 7b AS 10/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 2; B 7b AS 18/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 3). Danach ist in Berlin - in Ermangelung von Richtlinien zu § 10 WoFG - zum einen an die Bestimmungen zur Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen zur Belegung von nach dem WoFG bele...

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