Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung eines Befangenheitsantrags gegen einen Richter wegen Rechtsmissbrauchs. Ablehnung eines gesamten Senats. Anhörung der Beteiligten. Terminsverlegung

 

Orientierungssatz

1. Nur der einzelne Richter kann nach § 60 SGG wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden; nicht dagegen ein gesamtes Gericht oder der Senat eines Landessozialgerichts. Dessen Ablehnung ohne Vortrag von Befangenheitsgründen, die sich individuell auf den oder die beteiligten Richter beziehen, ist rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig.

2. Ein solches Ablehnungsgesuch ist u. a. rechtsmissbräuchlich, wenn erkennbar nicht bewirkt werden soll, einen Richter aus anzuerkennenden Gründen vom Verfahren auszuschließen, sondern die abgelehnte Verlegung eines Termins zur mündlichen Verhandlung zu erreichen.

3. Stellt sich ein Befangenheitsgesuch als rechtsmissbräuchlich dar, so ist eine Anhörung der Beteiligten nicht erforderlich.

 

Normenkette

ZPO § 42 Abs. 2; SGG § 60 Abs. 1

 

Tenor

Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen die Mitglieder des 3. Senats im Schreiben vom 8. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Der Senat wertet den “Antrag auf Prüfung von Befangenheit bezüglich Verfahren mit Az. L 3 U 130/13 zum Rechtsstreit D ./. die Berufsgenossenschaft ETEM BV Berlin„ als Gesuch, die Mitglieder des für seinen Rechtsstreit zuständigen 3. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.

Der Senat kann in seiner üblichen, nach dem Geschäftsverteilungsplan des LSG Berlin-Brandenburg vorgeschriebenen und aus dem Rubrum ersichtlichen Besetzung entscheiden, weil das Ablehnungsgesuch wegen offensichtlichem Missbrauch unzulässig ist (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Beschluss vom 25. Februar 2010, Az.: B 11 AL 22/09 C, Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11. April 2002, Az.: I B 56/01, BVerwG, Beschluss vom 07. August 1997, Az.: 11 B 19/97, alle in juris).

Gemäß § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Hierzu bestimmt § 42 Abs. 2 ZPO, dass wegen Besorgnis der Befangenheit die Ablehnung stattfindet, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich befangen ist, sondern darauf, ob vom Standpunkt des Beteiligten aus objektiv und vernünftig betrachtet Gründe vorliegen, die das Misstrauen rechtfertigen (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 42 Rn. 9, m.w.N.). Die Ablehnung eines gesamten Gerichts oder Senats - wie hier - ohne Vortrag von Befangenheitsgründen, die sich individuell auf den oder die beteiligten Richter beziehen, ist rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 42 Rn.1a, m.w.N.). Aus dem Gesuch des Klägers wird nicht deutlich, welche Richter des 3. Senats konkret und mit welcher individuellen Begründung abgelehnt werden sollen, so dass nicht überprüft werden kann, ob Zweifel an der Unparteilichkeit oder objektiven Einstellung der einzelnen Richter bestehen. Der Kläger erhebt vielmehr zum wiederholten Mal den Vorwurf unzureichender Sachverhaltsaufklärung sowie prozessualer Straftaten (Urkundenunterdrückung und -fälschung) vor allem in anderen von ihm betriebenen sozialgerichtlichen Verfahren.

Das Ablehnungsgesuch ist auch deshalb rechtsmissbräuchlich, weil damit offensichtlich nicht bewirkt werden soll, einen Richter aus anzuerkennenden Gründen vom Verfahren auszuschließen, sondern die von der Vorsitzenden des Gerichts mit Beschluss vom 06. Februar 2014 abgelehnte Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2014 zu erreichen. Rechtsmissbrauch liegt dann vor, wenn die Verweigerung einer Terminsverlegung zum Anlass genommen wird, durch Anbringung eines auf diese Verweigerung gestützten Ablehnungsgesuches, sozusagen in letzter Minute, eine Terminsverlegung doch noch zu erzwingen (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 28. Dezember 2001, AZ.: L3 SF 25/01 SAB, in juris). Dass dies das angestrebte Ziel des Klägers war, ergibt sich aus seinem zugleich gestellten Antrag auf “Aussetzung der mündlichen Verhandlung bis zur Klärung„. Eine Terminsverlegung kommt aus den bereits im Beschluss der Vorsitzenden des Senats vom 06. Februar 2014 genannten Gründen nicht in Betracht.

Da sich das Befangenheitsgesuch als rechtsmissbräuchlich darstellt, brauchte eine Anhörung der Beteiligten zur dienstlichen Äußerung vor der Entscheidung des Senats nicht zu erfolgen.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI6565125

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