Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anwendung des § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO bei Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren. Untätigkeit einer Behörde, weil sie sich für unzuständig hält, rechtfertigt eine Untätigkeitsklage

 

Orientierungssatz

1. § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG regelt abschließend die Statthaftigkeit der Beschwerde gegen eine Ablehnung von Prozesskostenhilfe.

2. Die insoweit weitergehende Vorschrift des § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO findet, auch wenn nach § 73 a Abs. 1 S. 1 SGG die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die Prozesskostenhilfe entsprechend gelten, keine Anwendung.

3. Der in § 511 ZPO genannte Betrag beläuft sich auf 600 Euro.

4. Die Verweigerung einer sachlichen Bescheidung wegen einer (zutreffenden oder fehlerhaften) Rechtsansicht stellt keinen zureichenden Grund für die Untätigkeit einer Behörde dar, weil sie mit dieser Begründung den Antrag sachlich bescheiden kann.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. September 2012 aufgehoben.

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt C S bewilligt.

 

Gründe

I.

Der Kläger begehrt im Wege der Untätigkeitsklage von dem Beklagten die Bescheidung eines Antrages.

Der Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 09. August 2011 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 01. September 2011 bis 29. Februar 2012 ab 01. September 2011 von 676,46 Euro monatlich und ab 01. Januar 2012 von 676,83 Euro monatlich. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, nach dem 30. Juni 2011 kein Erwerbseinkommen zu erzielen sowie der Regelsatz sei unter Missachtung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 09. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 zu niedrig festgesetzt worden sei, erteilte der Beklagte den Bescheid vom 31. August 2011, mit dem er die Leistungen nach dem SGB II für den oben genannten Zeitraum ab 01. September 2011 auf 679,61 Euro monatlich und ab 01. Januar 2012 auf 679,98 Euro monatlich festsetzte. Mit Widerspruchsbescheid vom 07. Oktober 2011 wies der Beklagte im Übrigen den Widerspruch zurück. Er entschied darüber hinaus, dass die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen auf Antrag zu fünf Zehnteln erstattet werden und dass die Zuziehung des Bevollmächtigten als notwendig anerkannt wird.

Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Berlin (S 55 AS 29349/11) erhoben.

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2011 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers, die entstandenen Kosten entsprechend der Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid in Höhe von 154,70 Euro zu erstatten.

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2011 lehnte es der Beklagte ab, über diesen Antrag zu entscheiden. Er meinte, für die Kosten des Widerspruchsverfahrens nach Erhebung der Klage nicht mehr zuständig zu sein, da bei Klageerhebung nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung auch die Kosten des Vorverfahrens durch das Gericht festzusetzen seien. Es sei daher zunächst das Ergebnis des Klageverfahrens abzuwarten.

Nach weiterem Schriftverkehr zwischen den Beteiligten hat der Kläger am 19. April 2012 beim Sozialgericht Berlin Untätigkeitsklage erhoben und beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger einen Verwaltungsakt zu dessen Antrag vom 11. Oktober 2011 zu erteilen.

Er ist der Ansicht, eine Kostenentscheidung des Sozialgerichts könne sich nur insoweit auf die Kosten des Widerspruchsverfahrens erstrecken, als es sich um ein Vorverfahren zum nachfolgenden Klageverfahren handele. Wegen des nichtstreitgegenständlichen Teils des Widerspruchsverfahrens und der sich darauf beziehenden Kostenentscheidung sei Bestandskraft zugunsten des Klägers eingetreten. Das Gericht sei insoweit nicht befugt, eine im Widerspruchsverfahren zugunsten des Klägers getroffene Kostenentscheidung zu dessen Lasten abzuändern, weil es sich insoweit um einen begünstigenden Verwaltungsakt handele.

Der Beklagte meint, die in § 63 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) geregelte Kostenerstattungspflicht gelte nur für ein isoliertes Vorverfahren. Werde gegen die im Widerspruchsbescheid enthaltene Sachentscheidung Klage erhoben, komme § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hinsichtlich der Kosten des vorangegangenen Widerspruchsverfahrens nicht mehr zur Anwendung. Vielmehr gelte gemäß § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im sozialgerichtlichen Verfahren der Grundsatz der Einheitlichkeit der gerichtlichen Kostenentscheidung, der beinhalte, dass die Kosten der Entscheidung des Gerichts sämtliche außergerichtlichen Kosten einschließlich der des Vorverfahrens umfasse und darüber eine einheitliche Entscheidung zu ergehen habe. Daher sei keine weitere Kostenentscheidung für die Kosten des Vorverfahrens zu treffen.

Am 28. August 2012 hat der Kläger Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt und dazu die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen eingereicht.

Mi...

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