Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Auszubildende. Zusicherung der Leistungsgewährung durch Eingliederungsvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Eingliederung kann als Zusicherung iS von § 34 SGB 10 ausgelegt werden. Wird ein Leistungsempfänger durch eine Eingliederungsvereinbarung verpflichtet, eine vor Abschluss der Vereinbarung begonnene Ausbildung fortzuführen und die Teilnahme regelmäßig nachzuweisen, so kann dies als Zusicherung des Leistungsträgers ausgelegt werden, ihm abweichend von § 7 Abs 5 SGB 2 im Falle der Hilfebedürftigkeit Leistungen nach dem SGB 2 zu gewähren.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 6. September 2012 aufgehoben und der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit vom 11. Dezember 2012 bis zum 31. Mai 2013, längstens jedoch bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache vorläufig Leistungen zu gewähren, und zwar

für die Zeit vom 11. Dezember 2012 bis zum 31. Dezember 2012 in Höhe von 362,67 Euro und

für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Mai 2013 in Höhe von monatlich 552,00 Euro.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten des gesamten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Die im Jahr 1977 geborene Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Sie bewohnt allein unter der aus dem Rubrum ersichtlichen Adresse eine Wohnung, für die sie einschließlich der Nebenkosten 290,00 Euro pro Monat zu zahlen hat, und erzielt aus einer Beschäftigung ein monatliches Einkommen in Höhe von 250,00 Euro (brutto = netto).

Auf ihren am 24. Januar 2012 beim Antragsgegner eingegangenen Fortzahlungsantrag wurden der Antragstellerin mit Bescheid vom 26. Januar 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 8. Februar 2012 Februar 2012 Leistungen in Höhe von monatlich 584,00 Euro und für den Zeitraum vom 1. März bis zum 31. Juli 2012 in Höhe von monatlich 544,00 Euro bewilligt.

Am 6. Februar 2012 begann die Antragstellerin, die bisher keinen Beruf erlernt hat, an der von dem Anbieter “Euro-Schulen gemeinnützige Gesellschaft für berufliche Bildung und Beschäftigung mbh„ getragenen Berufsfachschule für Sozialassistenz eine zweijährige Ausbildung zur Sozialassistentin. Diese Ausbildungsstätte ist im Verzeichnis der Ausbildungsstätten nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz im Land Berlin des Stundentenwerks Berlin verzeichnet. Für die Ausbildung ist ein Schulgeld in Höhe von monatlich 200,00 Euro zu entrichten, das die Antragstellerin selbst trägt.

Noch am selben Tag legte die Antragstellerin ihrer Arbeitsvermittlerin einen Schulplan über die vorgenannte Ausbildung vor. In den Verwaltungsakten des Antragsgegners ist hierzu vermerkt: “AV stimmt Lehrgang zu zur Verbesserung der Integrationschancen„.

Noch am 6. Februar 2012 schlossen die Beteiligten ferner eine bis zum 26. März 2014 gültige Eingliederungsvereinbarung ab. In dieser heißt es unter der Überschrift “Ihr Träger für Grundsicherung Jobcenter Berlin Friedrichshain-Kreuzberg unterstützt Sie mit folgenden Leistungen zur Eingliederung„: “Er unterbreitet Ihnen Vermittlungsvorschläge, soweit geeignete Stellenangebote vorliegen. Er bietet eine Beratung zur Fort- und Weiterbildung an."

Unter der Überschrift "Bemühungen von Frau F D zur Eingliederung in Arbeit„ heißt es: “Teilnahme an Lehrgang bei EURO Schule zum Sozialassistenten vom 06.02.12 - 05.02.14. Vorlage des Zertifikates nach Abschluss und Teilnahmebescheinigungen monatlich." Die Eingliederungsvereinbarung enthält eine Rechtsfolgenbelehrung.

Mit Bescheid vom 2. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2012 hob der Antragsgegner die Bewilligung ab dem 1. April mit der Begründung auf, dass die Antragstellerin als Auszubildende von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sei. Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hatte Erfolg.

Mit Bescheid vom 9. Mai 2012 lehnte das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin, Amt für Ausbildungsförderung, den Antrag der Antragstellerin auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) mit der Begründung ab, dass die Antragstellerin bei Beginn der Ausbildung das 30. Lebensjahr bereits vollendet habe.

Mit Bescheid vom 5. Juli 2012 lehnte der Antragsgegner den von der Antragstellerin am 29. Juni 2012 gestellten Antrag auf Fortzahlung von Leistungen nach dem SGB II mit der Begründung ab, dass sie nach § 7 Abs. 5 und 6 SGB II von Leistungen ausgeschlossen sei, weil sie eine nach dem BAföG förderungsfähige Ausbildung absolviere.

Dagegen legte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schreiben vom 27. Juli 2012 Widerspruch ein, den der Antragsgegner mit W...

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