Orientierungssatz

1. Hilfebedürftigkeit eines in eheähnlicher Gemeinschaft Lebenden setzt voraus, dass der Bedarf der mit ihm bestehenden Bedarfsgemeinschaft nicht aus eigenen Mitteln der Bedarfsgemeinschaft gedeckt werden kann.

2. Nur solche Einnahmen sind im Rahmen des SGB 2 als bedarfsdeckend anzurechnen, die nicht schon dem vorrangigen Zugriff anderer ausgesetzt sind. Deshalb gilt der unpfändbar bleibende Betrag für den Hilfebedürftigen selbst und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zur Verfügung stehend.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juli 2006 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, an die Antragstellerin 1.042,48 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin ein Drittel ihrer außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig sind Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Die 1971 geborene und seit 1996 verwitwete Antragstellerin lebt mit ihrer 1991 geborenen Tochter M und D C in einer Drei-Zimmer-Wohnung, die monatliche (Warm-)Miete beträgt 528,70 Euro. Bis zum 28. Februar 2006 bezog sie Arbeitslosengeld in Höhe von 22,31 Euro täglich. Am 26. Januar 2006 beantragte sie die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Der Antragsgegner bewilligte durch Bescheid vom 10. März 2006 Leistungen an die Antragstellerin und ihre Tochter in Höhe von 30,03 Euro für die Zeit vom 26. bis 31. Januar 2006, 150,17 Euro für Februar 2006 und monatlich 819,47 Euro für März bis Juli 2006.

Am 16. März 2006 besichtigte der Außendienst die Wohnung der Antragstellerin und kam zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin mit D C in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft lebe. Auf Anforderung des Antragsgegners legte die Antragstellerin Verdienstbescheinigungen des D C vor. Der Antragsgegner errechnete aus einem monatlichen Bruttogehalt von 3.583,12 bzw. 3.524,90 Euro einen Anrechnungsbetrag von 1.643,90 bzw. 1.620,20 Euro. D C wies darauf hin, dass er monatliche Kreditraten in Höhe von insgesamt 798 Euro aufbringen müsse. Dazu kämen Haftpflicht, Rechtsschutz, Versicherungen und Autokosten. Mit Schreiben vom 27. April 2006 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin dazu an, dass sie in der Zeit vom 1. März bis 31. Mai 2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von 2.278,72 Euro zu Unrecht bezogen habe. Das Einkommen von D C sei auf den Bedarf anzurechnen. Am 15. Mai 2006 teilte die Antragstellerin mit, dass sie am selben Tage eine – nicht versicherungspflichtige - Beschäftigung als Pflegehilfe gegen ein monatliches Nettoentgelt von 165,- Euro aufgenommen habe. Über ihre Verfahrensbevollmächtigte ließ sie am 30. Mai 2006 vortragen, dass eine Rückforderung nicht in Betracht komme, weil das Einkommen von D C nach Abzug der Verbindlichkeiten nicht ausreiche, um ihren Bedarf zu decken. Die laufenden Zahlungen seien wieder aufzunehmen.

Mit dem am 27. Juni 2006 beim Sozialgericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt die Antragstellerin, dass der Antragsteller verpflichtet werde, Leistungen über den 1. Juni 2006 hinaus zu zahlen bzw. zu gewähren. Durch Änderungsbescheid vom 3. Juli 2006 hat der Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Juni 2006 bis 31. Juli 2006 in Höhe von monatlich 298,23 Euro „gewährt“. Ein Anspruch auf Leistungen bestehe nur für die Tochter. Die bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen würden insoweit aufgehoben. Die Antragstellerin sei bis zum 31. Juli 2006 bei der AOK B pflichtversichert, ihre Tochter familienversichert. Durch Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 4. Juli 2006 hat der Antragsgegner dann seine Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. März 2006 bis 31. Mai 2006 unter Berufung auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch (SGB X) teilweise in Höhe von 1.563,72 Euro aufgehoben und die Erstattung des Betrages gefordert.

Am 11. Juli 2006 hat die Antragstellerin die Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II beantragt. Durch Bescheid vom 12. Juli 2006 hat der Antragsgegner der Antragstellerin und ihrer mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Tochter für die Zeit vom 1. August 2006 bis 31. Januar 2007 Leistungen in Höhe von monatlich 298,23 Euro bewilligt. Vom 1. August 2006 bis 31. Januar 2007 bestehe Versicherungsschutz für die Antragstellerin und ihre Tochter bei der AOK B in der Kranken- und Pflegeversicherung. Den am 27. Juni 2006 gegen das Anhörungsschreiben vom 27. April 2006 eingelegten Widerspruch hat der Antragsgegner durch Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2006 als unzulässig verworfen.

Das Sozialgericht Berlin hat durch Beschluss vom 20. Juli 2006 den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Bei summarischer Prüfung sei der Antragsgegner berechtigt gewesen, mit Bescheid vom 3...

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