Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. Unterbringung eines Demenz-Kranken. keine Übernahme ungedeckter Heimkosten. eheähnliche Gemeinschaft. Getrenntleben. Trennungswille. Auflösung

 

Orientierungssatz

1. Lebt ein Hilfebedürftiger mit einem Partner mehr als 27 Jahre zusammen, besteht eine eheähnliche Gemeinschaft iS des § 20 Abs 3 SGB 12. Eine eheähnliche Gemeinschaft ist eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehung in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (vgl BVerfG vom 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 = BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3).

2. Für die Annahme eines Getrenntlebens iS der sozialhilferechtlichen Vorschriften ist nicht ausreichend, dass Ehegatten wegen des pflegebedingten Aufenthalts eines von ihnen in einem Heim räumlich voneinander getrennt leben und eine Wirtschaftsgemeinschaft zwischen ihnen nicht mehr besteht. Ein Getrenntleben liegt vor, wenn sich aus den die Beziehung der Ehegatten zueinander kennzeichnenden Gesamtumständen ergibt, dass mindestens einer von ihnen den Willen hat, sich vom anderen Ehegatten unter Aufgabe der bisherigen Lebensgemeinschaft auf Dauer zu trennen. Die Annahme eines derartigen Trennungswillens setzt nicht voraus, dass die Eheleute keinerlei Kontakt mehr zueinander haben (vgl BVerwG vom 26.1.1995 - 5 C 8/93 = BVerwGE 97, 344).

3. Eine eheähnliche Gemeinschaft kann jederzeit ohne ein rechtlich geregeltes Verfahren aufgelöst werden, wenn ein Partner sein bisheriges Verhalten entsprechend ändert. Eine derartige Verhaltensänderung liegt nicht vor, wenn der zu Hause verbliebene Partner nach wie vor bereit ist, sich um die Belange seines Partners zu sorgen, und damit zum Ausdruck bringt, dass er sich mit ihm weiterhin partnerschaftlich verbunden fühlt.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. Februar 2009 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgewiesen.

Eine Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Der Antragsgegner wendet sich mit der Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. Februar 2009, mit dem er im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wurde, beginnend ab 01. September 2008 bis zur Bekanntgabe eines Widerspruchsbescheides den durch eigenes Einkommen des Antragstellers ungedeckten Eigenanteil an den Kosten der Unterbringung des Antragstellers im Pflegeheim der P gGmbH “P K„, K, B, zu übernehmen.

Der 1933 geborene Antragsteller und seine heutige Betreuerin, Frau IT, lernten sich 1978 kennen. Nach ca. 1 ½ Jahren zog der Antragsteller zu Frau T in deren Wohnung. Beide leisteten Beiträge zum gemeinsamen Haushalt.

Im Jahr 2004 erkrankte der Antragsteller an Demenz, die seit 2006 zu ausgeprägten Persönlichkeitsveränderungen führte. Nach einem Krankenhausaufenthalt im Jahr 2007 bezog der Antragsteller am 30. Oktober 2007 ein Zimmer im Pflegeheim der P “K„.

Gemäß § 17 Ziffer 3 des am 30. Oktober 2007 mit der P gGmbH geschlossenen Vertrages ist der Träger zur Kündigung berechtigt, wenn der Bewohner in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung des Entgelts in Höhe eines Betrages in Verzug gekommen ist, der das Entgelt für zwei Monate erreicht. Die Kündigung wegen des Zahlungsverzuges wird unwirksam, wenn bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruches hinsichtlich des fälligen Entgelts der Träger befriedigt wird oder eine öffentliche Stelle sich zur Befriedigung verpflichtet.

Der Antragsteller bezieht eine Altersrente, seit 01. Juli 2008 in Höhe von 551,67 €. Zudem ist ihm ein Pflegesatz der Stufe II bewilligt worden. Von den Kosten der Heimunterbringung ist nach Einsatz der Rente sowie des Pflegegeldes ein monatlicher Betrag in Höhe von 1 487,33 € (Monate mit 30 Tagen) bzw. 1 597,93 € (Monate mit 31 Tagen) nicht gedeckt. Der ungedeckte Eigenanteil an den Heimkosten wurde zunächst aus den Ersparnissen des Antragstellers bestritten und von Januar bis August 2008 durch Frau T erbracht. Der Antragsteller beantragte am 17. Dezember 2007 die Übernahme der ungedeckten Heimkosten beim Antragsgegner.

Mit Schreiben vom 11. Februar 2008 forderte der Antragsgegner Frau T unter Hinweis auf §§ 60 ff. Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I - und § 19 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - auf, Nachweise über ihr Einkommen und ihre Vermögenswerte vorzulegen. Das Schreiben enthielt ferner den Hinweis, dass nach § 66 SGB I die beantragte Leistung versagt werde, sollte Frau T dieser Verpflichtung nicht nachkommen.

Mit Bescheid vom 19. September 2008 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Übernahme der Heimkosten wegen fehlender Mitwirkung gemäß § 66 SGB I ab....

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