Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Grundsicherung für Arbeitssuchende. Verpflichtung zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen. Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente. Anforderungen an die Ermessensausübung. Interessenabwägung. Vermeidung von Unbilligkeiten. Berücksichtigung des Ausschlusses von Eingliederungsleistungen bei Rentenbezug. Höhe der geminderten Altersrente. ergänzender Sozialhilfebezug. Ermessensfehlgebrauch. fehlende ausreichende Begründung im Widerspruchsbescheid. Anforderung bei Antragsbefugnis des Grundsicherungsträgers. Eingliederungsvereinbarung. Verpflichtung des Jobcenters zur Rücknahme eines Rentenantrags

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Anordnung der aufschiebenden Leistung einer Klage gegen die Aufforderung des Jobcenters, eine geminderte Altersrente bei der Deutschen Rentenversicherung zu beantragen.

 

Normenkette

SGB II § 5 Abs. 3 S. 1, § 12a Sätze 1, 2 Nr. 1, § 39 Nr. 3; SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2; SGG § 86b Ab S. 2; GG Art. 19 Abs. 4

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. Juni 2014 aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2014 (S 100 AS 13255 /14) wird angeordnet.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, den bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg gestellten Rentenantrag zurückzunehmen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die diesem entstandenen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. Juni 2014 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat es rechtsfehlerhaft abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23. Mai 2014 anzuordnen, mit dem dieser den Antragsteller nach Zugang dieses Bescheides, spätestens bis zum 09. Juni 2014, aufgefordert hatte, eine geminderte Altersrente bei der Deutschen Rentenversicherung zu beantragen. Dem Begehren des Antragstellers war nach Erlass des Widerspruchsbescheides und der Erhebung der Klage in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang zu entsprechen.

1.) a) Der Antrag des Antragstellers ist in Bezug auf die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Denn abweichend vom Regelfall des § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG hat die gegen den Bescheid vom 23. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2014 erhobene Klage gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG in Verbindung mit § 39 Nr. 3 des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II) keine aufschiebende Wirkung, weil es sich bei dem genannten Bescheid um einen Verwaltungsakt handelt, mit dem der Antragsteller im Sinne der zuletzt genannten Vorschrift zur Beantragung einer vorrangigen Leistung aufgefordert worden ist.

b) Der zulässige Antrag ist auch begründet. Inhalt der Begründetheitsprüfung ist eine - auf den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts - vorzunehmende Interessenabwägung, bei der unter Beachtung der vom Gesetzgeber getroffenen Grundentscheidung, den Eintritt der aufschiebenden Wirkung abweichend von dem in § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG geregelten Grundsatz nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG gerade auszuschließen, die jeweiligen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen sind. Ergibt diese Abwägung, dass das private Interesse des jeweiligen Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs das öffentliche Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung seines Bescheides überwiegt, ist die aufschiebende Wirkung in aller Regel anzuordnen. Dies wiederum ist der Fall, wenn sich der angegriffene Bescheid als offensichtlich rechtswidrig erweist und dies mit einer subjektiven Rechtsverletzung des Belasteten einhergeht, weil an der sofortigen Vollziehung eines mit der Rechtsordnung nicht im Einklang stehenden Bescheides kein öffentliches Interesse besteht. Umgekehrt überwiegt das öffentliche Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung seines Bescheides das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs, wenn gegen die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides offensichtlich keine Bedenken bestehen. In diesem Fall ist die aufschiebende Wirkung in aller Regel nicht anzuordnen. Lässt sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides indes nicht hinreichend sicher beantworten, kommt es unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundentscheidung des Gesetzgebers für die Begründetheit des Antrags entscheidend auf die sonstigen Interessen der Beteiligten an. Grundsätzlich hat hierbei zu gelten, dass die an das private Interesse des Antragstellers an der Anordnung d...

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