Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. gleichberechtigte Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH mit einer Kapitalbeteiligung von jeweils 33,33%. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. kein Vertrauensschutz aus einer früheren "beanstandungsfrei" verlaufenen Betriebsprüfung trotz hauptsächlicher Tätigkeit der Gesellschafter-Geschäftsführer bei der GmbH und nur geringem Einsatz zusätzlicher Kräfte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Sind drei Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH zu gleichen Teilen (33,33 %) an der Gesellschaft beteiligt, stehen alle drei zu der GmbH in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, wenn die Beschlüsse in der Gesellschaft mit einfacher Mehrheit gefasst werden und jeder Geschäftsanteil dasselbe Stimmrecht gewährt.

2. In der Vergangenheit durchgeführte Betriebsprüfungen, bei denen die Anstellungsverträge der Gesellschafter-Geschäftsführer nicht konkret geprüft wurden, vermitteln auch dann keinen Vertrauensschutz, wenn bei der GmbH vornehmlich nur die Gesellschafter-Geschäftsführer tätig waren und zusätzliche Kräfte nur in geringem Umfang eingesetzt wurden.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 19.06.2018 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 159.664,37 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen eine Beitragsnachforderung des beklagten Rentenversicherungsträgers in Höhe von 159.664,37 € für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2015.

Die Klägerin ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts Stuttgart (HRB ...) eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in ... P.. Gegenstand des Unternehmens ist der Handel mit sowie die Verarbeitung und das Verlegen von Fertigparkett und Bodenbelägen jeglicher Art. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 25.050,00 €. Die Gesellschaft wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 25.06.1999 gegründet und am 02.08.1999 in das Handelsregister eingetragen. Die Gesellschafterversammlung beschloss am 01.06.2016 eine Änderung des Gesellschaftsvertrages, die am 10.06.2016 in das Handelsregister eingetragen wurde. Der Gesellschaftsvertrag vom 25.06.1999 lautet auszugsweise wie folgt:

㤠5

Gesellschafterversammlung

1. ...

2. In der Gesellschafterversammlung gewähren je 50 Euro eines Geschäftsanteils eine Stimme.

3. Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der in der Gesellschafterversammlung abgegebenen Stimmen gefasst, sofern nicht das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag eine größere Mehrheit vorsieht.

...

§ 7

Verfügung über Geschäftsanteile

1. Jeder Gesellschafter kann seinen Anteil an der Gesellschaft und seine Gesellschafterrechte ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter an einen anderen Gesellschafter abtreten.

2. Jede Verfügung über Geschäftsanteile oder Teile von solchen, insbesondere die Übertragung auf Nichtgesellschafter, die sicherungsweise Abtretung oder die Belastung und Verpfändung, ist nur mit Zustimmung der Gesellschaft auf Grund eines einstimmigen Beschlusses der Gesellschafterversammlung zulässig.

Die zwingenden Vorschriften des § 17 GmbHG bleiben unberührt.“

Wegen weiterer Einzelheiten des Gesellschaftsvertrages wird auf Seite 6 der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Mit Gesellschafterbeschluss vom 01.06.2016 wurde § 5 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrages wie folgt neu gefasst: „Beschlüsse können in der Gesellschafterversammlung grundsätzlich nur einstimmig gefasst werden.“

Der Beigeladene zu 3) ist der Vater der Beigeladenen zu 1) und 2). Seit der Errichtung der Gesellschaft sind die Beigeladenen zu 1 bis 3) Gesellschafter der Klägerin mit einem Anteil am Stammkapital von jeweils 8.350,00 € und außerdem stets einzelvertretungsberechtigte und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Geschäftsführer der Klägerin. Nach den jeweils gleichlautenden Geschäftsführer-Anstellungsverträgen erhielten sie ein festes monatliches Gehalt sowie eine Tantieme. Das monatliche Bruttogehalt belief sich beim Beigeladenen zu 1) auf 3.755,00 €, beim Beigeladenen zu 2) auf 4.690,00 € und beim Beigeladenen zu 3) auf 4.020,00 €. Außerdem hatten sie Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen. Jeder der Gesellschafter gewährte der Klägerin ein Darlehen in Höhe von 15.000,00 €.

Die Beklagte führte ab dem Jahr 2000 mehrere Betriebsprüfungen nach § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) durch. Lediglich für die Zeit zwischen Juli 2004 und Dezember 2007 erfolgte keine Betriebsprüfung, da von der Klägerin für diesen Zeitraum keine Arbeitnehmer gemeldet worden waren. Im Prüfzeitraum von Januar 2008 bis zum Dezember 2011 waren bei der Klägerin außer den Beigeladenen zu 1) bis 3) sieben weitere Personen in unterschiedlichem Umfang tätig. Das Ergebnis dieser Betriebsprüfung wurde der Klägerin mit Bescheid vom 02.08.2012 mitgeteilt. In diesem Bescheid wird zunächst festgestellt, dass sich die Nachforderung auf 478,80 € beläuft. ...

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