Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Nachzahlung von Grundsicherungsleistungen. Verzugszinsen

 

Leitsatz (amtlich)

Zinsen, die auf verspätete oder Nachzahlungen von SGB II-Leistungen gewährt werden, sind nicht ihrerseits bedarfsmindernd als Einkommen anzurechnen.

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch im Berufungsverfahren die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Anrechnung von Zinsen aus einer Nachzahlung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) als Einkommen.

Der 1956 geborene Kläger steht seit 2005 im Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 29.01.2013 bewilligte der Beklagte ihm Arbeitslosengeld II für März bis August 2013 in Höhe von 607 Euro monatlich (382 Euro Regelleistung; 225 Euro Kosten für Unterkunft und Heizung).

Aufgrund eines vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) geschlossenen Vergleichs vom 13.06.2012 gewährte der Beklagte dem Kläger im März 2013 eine Nachzahlung von SGB II-Leistungen in Höhe von 5.608,70 Euro für die Zeit von Januar 2005 bis Februar 2006. Mit Bescheid vom 06.03.2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger aus diesem Nachzahlungsbetrag gemäß § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) Zinsen in Höhe von 280,53 Euro und wies die Zinsen an den Kläger, der über kein eigenes Konto verfügte, über eine Scheckzahlung an. Im April 2013 gewährte der Beklagte dem Kläger eine weitere Nachzahlung von SGB II-Leistungen in Höhe von 288 Euro für Januar und Februar 2011 und bewilligte ihm mit Bescheid vom 12.04.2013 gemäß § 44 SGB I Zinsen aus dem Nachzahlungsbetrag in Höhe von 12,24 Euro.

Nach vorheriger Anhörung hob der Beklagte mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 16.04.2013 den Bewilligungsbescheid vom 29.01.2013 für den Monat März 2013 teilweise in Höhe von 250,53 Euro auf. Zur Begründung führte er aus, der Kläger habe Einkommen erzielt, das zur Minderung seines Anspruchs führen würde. Von den zugeflossenen Zinsen sei eine Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro in Abzug zu bringen. Rechtsgrundlage seien § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X und § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III. Der Betrag sei vom Kläger zu erstatten, es erfolge eine Aufrechnung in Höhe von 38,20 Euro monatlich gegen die dem Kläger zustehenden laufenden Leistungen. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.05.2013 als unbegründet zurück. Auf die hiergegen zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage des Klägers (S 9 AS 2010/13) gab der Beklagte im Rahmen eines Erörterungstermins vom 20.12.2013 nach einem Hinweis des Gerichts, dass eine Anrechnung der Zinsen als Einkommen jedenfalls nicht im März 2013, sondern allenfalls im April 2013, dem Monat nach dem Zufluss möglich sein dürfte, ein Anerkenntnis dahingehend ab, dass der streitige Bescheid vom 16.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.05.2013 aufgehoben werde.

Am 27.12.2013 nahm der Beklagte unter Hinweis auf das Anerkenntnis im Erörterungstermin vom 20.12.2013 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 16.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.05.2013 zurück und zahlte den bisher einbehaltenen Aufrechnungsbetrag von insgesamt 191 Euro wieder aus.

Mit (erneutem) Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 27.12.2013 hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 29.01.2013 für April 2013 teilweise in Höhe von 262,77 Euro auf und forderte die Erstattung dieses Betrages. Die Begründung entsprach den Ausführungen im zuvor aufgehobenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid. Dem Widerspruch des Klägers hiergegen half der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 22.01.2014 insoweit ab, als er die Leistungsbewilligung für April 2013 nur in Höhe von 250,53 Euro aufhob und diesen Betrag zurückforderte. Hierbei nahm der Beklagte einen Betrag von 12,24 Euro (zweite Zinszahlung) aus der Berechnung heraus. Im Übrigen wies er den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2014 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 17.02.2015 erneut Klage zum SG erhoben und vorgetragen, die Anrechnung der Zinsen sei rechtswidrig. Er verweise auf das frühere Klageverfahren.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Nun sei in Abweichung zum Gegenstand des früheren Klageverfahrens die Einkommensanrechnung im Folgemonat des Zuflusses erfolgt. Bezüglich der Anrechnung von Zinseinkünften verweise er auf das Urteil des BSG B 14 AS 103/11 R.

Nach mündlicher Verhandlung hat das SG mit Urteil vom 17.10.2014 die Bescheide vom 27.12.2013 und 22.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2014 aufgehoben und dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt. Gleichzeitig hat das SG die Berufung zugelassen mit der Begründung, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Die Frage, ob Zinsen für verspätet gezahlte SGB II-Leistungen als ...

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