Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Anspruch auf 14 Monatsbeträge für ein Elternteil. nicht verheiratete Eltern. gemeinsame Sorgeerklärung. einseitiger Verzicht auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht durch den Vater. Erforderlichkeit einer familiengerichtlichen Entscheidung für ein alleiniges Aufenthaltsbestimmungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Haben die nicht verheirateten Eltern nach § 1626a BGB die gemeinsame Übernahme der elterlichen Sorge erklärt, dann vermögen private Vereinbarungen über die Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts keinen Anspruch eines Elternteils auf ein mehr als zwölfmonatiges Elterngeld nach Maßgabe des § 4 Abs 3 S 4 BEEG zu begründen (Anschluss an LSG Celle-Bremen vom 30.4.2013 - L 2 EG 2/13).

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Bestandteil der Personensorge ist von einer Wohnsitzbestimmung iSd § 11 BGB zu unterscheiden (Anschluss an OVG Hamburg vom 27.8.2015 - 1 Bs 159/15 = NVwZ-RR 2016, 196).

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 01.10.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über weiteres Elterngeld.

Die 1979 geborene ledige Klägerin ist die Mutter des am 2013 geborenen Kindes L. V. H.. Die Klägerin lebt mit ihrem Kind in einem gemeinsamen Haushalt, der Vater des Kindes lebt in der Schweiz. Das Sorgerecht steht den Eltern aufgrund von Sorgeerklärungen gemäß § 1626a Abs 1 Nr 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gemeinsam zu.

Am 18.09.2013 beantragte die Klägerin Elterngeld für den 1. bis 14. Lebensmonat des Kindes. Mit Bescheid vom 18.10.2013 gewährte die Beklagte der Klägerin Elterngeld für den 3. bis 12. Lebensmonat in Höhe von 1.097,32 € monatlich. Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien. Alleinerziehende, die nicht mit dem anderen Elternteil in einer Wohnung leben, könnten nur dann einen Anspruch auf Elterngeld bis zu 14 Monaten haben, wenn ihnen die alleinige elterliche Sorge oder zumindest das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind zustehe.

Mit Schreiben vom 31.03.2014 beantragte die Klägerin erneut Elterngeld für 14 statt lediglich 12 Monate. Zur Begründung nahm sie Bezug auf § 4 Abs 3 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG). Die gesetzlichen Voraussetzungen träfen bei ihr voll und ganz zu.

Mit “Änderungsbescheid„ vom 02.04.2014 lehnte die Beklagte diesen Antrag sinngemäß ab und teilte der Klägerin mit, der Anspruch für den 13. und 14. Lebensmonat könne neu überprüft werden, sofern die Klägerin eine Bescheinigung des Jugendamts über die elterliche Sorge sowie eine aktuelle Meldebescheinigung der Familie vorlege.

Dagegen erhob die Klägerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 28.04.2014 Widerspruch. Zur Begründung brachte der Bevollmächtigte vor, aus dem Umstand, dass die Klägerin mit ihrem Kind alleine in W. lebe, der Vater des Kindes aber in der Schweiz lebe und arbeite, ergebe sich, dass die Klägerin das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht habe. Mit Schreiben vom 21.05.2014 legte der Bevollmächtigte eine aktuelle Meldebestätigung der Stadt W. für die Klägerin und ihren Sohn sowie eine schriftliche Erklärung des Vaters vom 19.05.2014 vor. Dieser bestätigt darin, dass er gemeinsam mit der Klägerin das gemeinsame Sorgerecht habe, aber getrennte Wohnungen bestünden. Aufgrund dieser Situation habe er auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht verzichtet. Dieses werde allein von der Kindesmutter ausgeübt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.06.2014 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die alleinige elterliche Sorge oder zumindest das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht sei eine der Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch. Nach Aktenlage bestehe ein gemeinsames Sorgerecht mit dem Vater des Kindes. Nachweise, dass der Klägerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht rechtswirksam übertragen worden sei, habe die Klägerin nicht vorgelegt. Sie habe daher lediglich Anspruch auf Elterngeld für 12 Lebensmonate. Eine neue Überprüfung des Anspruchs sei möglich, sofern die Klägerin Nachweise des Familiengerichts oder des Jugendamts über das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht vorlege.

Hiergegen hat die Klägerin am 01.07.2014 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Ihr Sohn lebe ausschließlich bei ihr und werde von ihr betreut. Der Kindsvater sehe das Kind durchschnittlich dreimal monatlich, hauptsächlich am Wochenende. Sie habe seit 01.08.2014 auch die Steuerklasse 2 für Alleinerziehende. Faktisch übe sie das Aufenthaltsbestimmungsrecht alleine aus. Der Kindsvater habe auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht verzichtet. Sie hat sich auf ein Urteil des SG Lübeck vom 05.03.2013 (Az S 1 EG 1/11) berufen, wonach eine einfache Verzichtserklärung des anderen Elternteils gegenüber der Elterngeldstelle ausreiche, um von einem alleinigen Zustehen des Aufenthaltsbestimmungsrec...

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