Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Reparatur des eigenen Pkw. kein unvorhergesehenes Ereignis. Zeitpunkt der Kenntnis. zumutbare Alternative. unversicherte Vorbereitungshandlung. Instandsetzung eines Arbeitsgeräts. defekte Hebebühne. einheitliche Bewertung. betriebsdienlicher Zwischenschritt

 

Orientierungssatz

Zum Nichtvorliegen eines versicherten Wegeunfalls, wenn ein Arbeitnehmer den am eigenen Fahrzeug vor Beginn der Arbeitsschicht bemerkten Mangel nach Schichtende auf der betrieblichen Hebebühne untersuchen bzw reparieren wollte, um unbeschadet den Heimweg antreten zu können und bei der zwischenzeitlich notwendig gewordenen Instandsetzung der blockierten betrieblichen Hebebühne verunglückte.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.05.2009; Aktenzeichen B 2 U 12/08 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. April 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Der ... 1959 geborene, in B-H wohnhafte Kläger ist bei der M O Bauunternehmen GmbH (nachfolgend: GmbH) als LKW-Fahrer und Baumaschinenführer beschäftigt. Unregelmäßig arbeitet er auch an Samstagen. Hin und wieder benutzt er für Betriebsfahrten seinen Privatwagen. Auf dem Lagerplatz O W den die GmbH in R unterhält, befindet sich eine Hebebühne, die von den Beschäftigten mit dem Einverständnis der GmbH auch für Reparaturen an deren eigenen Kraftfahrzeugen benutzt werden darf.

Am Samstag, dem 9. Juli 2005 bemerkte der Kläger kurz vor Erreichen des Lagerplatzes O W, dass sein Fahrzeug nicht mehr richtig fuhr, sondern ohne sein Zutun, vermutlich über die Hinterräder, bremste. Ihm war klar, dass das Fahrzeug einen Mangel aufwies, er konnte aber wegen des verschlossenen Bremsgehäuses die Ursache des Defekts nicht näher feststellen. Er entschloss sich daher, nach Beendigung seiner Arbeitsschicht gegen 15:00 Uhr, die genauere Schadensursache festzustellen und anschließend zu reparieren. Dazu verbrachte er sein Fahrzeug auf die bereits genannte Hebebühne, die sich jedoch nicht hochfahren ließ, da sich die Spindel des Motors verklemmt hatte. Der Kläger entfernte den Deckel der Spindel, um sie mit dem dafür vorgesehenen Werkzeug wieder frei zu bekommen. Bei dieser Arbeit halfen ihm zwei Kollegen. Als der Kläger die Spindel freibekommen hatte, betätigte der Arbeitskollege P (nachfolgend P.) versehentlich den Schalter für die Aufwärtsbewegung der Hebebühne, obwohl ein Werkzeugschlüssel noch auf der Spindel lag. Dieser wurde durch das Einschalten der Hebebühne in eine Drehbewegung versetzt und traf den Kläger mit voller Wucht am Schädel.

Dadurch zog sich der Kläger eine Kopfplatzwunde mit offener Impressionsfraktur zu. Im unmittelbaren Anschluss an die Erstversorgung durch einen Arbeitskollegen stellte sich der Kläger um 16:10 Uhr bei Dr. W im Kreiskrankenhaus Sch vor (Durchgangsarztbericht vom 9. Juli/28. September 2005). Zur weiteren operativen Behandlung wurde der Kläger am gleichen Tag in die neurochirurgische Klinik des K S überwiesen, in der er sich bis zum 27. Juli 2005 stationär aufhielt (Arztbrief Prof. Dr. H vom 27. Juni 2005). Vom 9. August bis 4. September 2005 wurde eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme über den Rentenversicherungsträger durchgeführt. Nachfolgend zeigte sich der Kläger gemäß dem Befundbericht von Prof. Dr. H vom 7. Oktober 2005 zunächst beschwerdefrei. Im Befundbericht vom 2. November 2005 teilte Prof. Dr. H jedoch mit, zwischenzeitlich sei es bei einem Zustand nach Schädelhirntrauma mit Impressionsfraktur und Kontusionsblutung rechts frontal zu einer posttraumatischen Epilepsie gekommen.

Auf Nachfrage der Beklagten hatte die GmbH am 18. Oktober 2005 unter anderem mitgeteilt, es habe sich um eine rein private Reparatur gehandelt. Diese sei nicht erforderlich gewesen, um den Nachhauseweg antreten zu können.

Mit Bescheid vom 27. Oktober 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Bei der Reparatur des Pkw habe es sich um eine rein private Tätigkeit gehandelt. Die Handlung sei rechtlich allein wesentlich auf private persönliche Belange ausgerichtet gewesen.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 16. November 2005. Er trug vor, die GmbH habe einige Fragen falsch beantwortet. Die Reparatur sei für den Nachhauseweg erforderlich gewesen. Entgegen der Auskunft der GmbH seien auch Zeugen anwesend gewesen. Es habe auch dem Interesse der GmbH gedient, dass er nach Arbeitsende wieder mit einem betriebssicheren Fahrzeug nach Hause fahren konnte, ohne Gefahr zu laufen, dass er verunfalle und arbeitsunfähig werde. Der Kläger legte eine schriftliche Stellungnahme des P. vom 1. Februar 2006 vor: In seinen Augen wäre es unverantwortlich gewesen, mit dem Fahrzeug die Heimfahrt anzutre...

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