Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Einkommenseinsatz. Kindergeld für das nicht im elterlichen Haushalt lebende volljährige Kind

 

Orientierungssatz

Kindergeld für das nicht im Haushalt der Eltern lebende volljährige Kind, welches ohne eine Abzweigung nach § 74 EStG von der Familienkasse auf das Konto des Kindes gezahlt wird, ist dem kindergeldberechtigten Elternteil nicht als Einkommen nach § 82 Abs 1 S 1 SGB 12 zuzurechnen.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Kindergeld bei der Bedarfsberechnung für die dem Kläger zustehenden Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch ≪SGB XII≫; im (Berufungs-) Verfahren L 7 SO 3130/06 ist die Berücksichtigung im Zeitraum Dezember 2004 - Januar 2005 im Streit, im vorliegenden Verfahren L 7 SO 3131/06 der Bewilligungszeitraum von Februar 2005 bis Juli 2006.

Der ... 1934 geborene Kläger und seine Familie reisten im Jahre 1994 aus der Ukraine in das Bundesgebiet ein, wo sie im Besitz unbefristeter Aufenthaltserlaubnisse sind. Der Kläger bezieht Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII, seine ... 1981 geborene Tochter D S studiert in N und unterhält dort einen eigenen Hausstand.

Durch Bescheid der Beklagten vom 4. März 2005 wurden die Grundsicherungsleistungen an den Kläger für den Zeitraum Dezember 2004 bis Januar 2005 sowie ab Februar 2005 neu festgesetzt. Dabei wurde das Kindergeld für die Tochter D in Höhe von 154,- Euro monatlich dem Kläger jeweils als Einkommen zugerechnet. Dagegen erhob der Kläger am 1. April 2006 Widerspruch mit der Begründung, das Kindergeld für die in N studierende Tochter stehe dieser zu und dürfe nicht als sein Einkommen gerechnet werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, das Kindergeld sei nach § 82 SGB XII als Einkommen des Klägers zu berücksichtigen. § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII betreffe lediglich minderjährige Kinder, die Tochter des Klägers sei jedoch volljährig. Nach den Sozialhilferichtlinien zu § 82 SGB XII sei in diesem Falle Kindergeld Einkommen des Kindes, soweit es von den Kindergeldberechtigten nachweislich durch einen besonderen Zuwendungsakt an dieses weitergegeben werde. Durch einen solchen Zuwendungsakt dürfe der Kindergeldberechtigte allerdings nicht seine Leistungsberechtigung und die weiterer unterhaltsberechtigter Angehöriger herbeiführen oder erhöhen. Das Kindergeld sei als Einkommen des Klägers anzusehen, da ansonsten dessen eigene Leistungsberechtigung erhöht würde und der Grundsicherungsträger höhere Leistungen auszahlen müsste.

Durch Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2005 wurden die Grundsicherungsleistungen des Klägers für den Zeitraum ab Februar 2005 neu festgesetzt. Dabei wurde das Kindergeld für die Tochter D in Höhe von 154,- Euro monatlich wiederum als Einkommen des Klägers angerechnet. Dagegen erhob der Kläger am 25. August 2005 sinngemäß Widerspruch und wandte sich (unter Anderem) erneut gegen die Anrechnung des Kindergeldes. Zur weiteren Begründung legte er Girokontoauszüge vor, aus denen sich ergibt, dass das Kindergeld letztmals im November 2004 auf sein Konto geflossen war.

Durch Bescheid der Beklagten vom 8. August 2005 wurden die Grundsicherungsleistungen des Klägers ab August 2005 bis auf Weiteres - wiederum unter Anrechnung des Kindergeldes - auf monatlich 665,56 Euro festgesetzt. In dem Bescheid ist vermerkt, dass bezüglich der Kindergeldleistungen das Widerspruchsverfahren abzuwarten bleibe. Durch Bescheid vom 8. September 2005 wurde der Bescheid vom 8. August 2005 dahin gehend korrigiert, dass der monatliche Betrag der Grundsicherungsleistungen ab dem 1. August 2005 bis auf Weiteres auf 701,84 Euro festgesetzt wurde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2005 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 27. Juli 2005 zurück.

Aus einer Telefongesprächsnotiz vom 1. Februar 2006 (Bl. 395 d. A.) ergibt sich, dass nach Angaben der Familienkasse des Arbeitsamts Freiburg, von wo das Kindergeld seit Dezember 2004 direkt auf das Konto der Tochter D bei ihrer Bank in N überwiesen wird, dort bis zu diesem Zeitpunkt kein Abzweigungsantrag nach § 74 EStG gestellt worden war. Der Kindergeldberechtigte habe lediglich die Änderung der Kontonummer mitgeteilt; die Familienkasse interessiere nicht, wer Kontoinhaber sei. Am 16. September 2005 hat der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben gegen den Bescheid der Beklagten vom 4. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. August 2005 (S 8 SO 3827/05).

Am 2. November 2005 hat der Kläger gegen den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Oktober 2005...

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