Entscheidungsstichwort (Thema)

Einschränkung des Gehvermögens. Feststellungsbescheid des Versorgungsamtes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bestätigung der Rechtsprechung des Senats, wonach auch nach der Änderung des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 (SGB 12 ÄndG - juris: SGB12uaÄndG - BGBl I 2006, 2670) sich die Rechtslage ab 7.12.2006 nicht dahingehend geändert hat, dass nun auf die Feststellungswirkung des Nachteilsausgleichs G oder das Vorliegen seiner Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Mehrbedarfs abzustellen ist.

2. Die Rechtslage hat sich ab 7.12.2006 nur insoweit verändert, als nun nicht mehr nur ein Ausweis, sondern auch der - regelmäßig früher ergangene - Bescheid der zuständigen Behörde zum Nachweis der Feststellung des Merkzeichens G ausreicht.

3. Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss ein entsprechender Bescheid der nach § 69 Abs 4 SGB IX zuständigen Stelle ergangen sein oder der Ausweis vorliegen, um den Mehrbedarf zu begründen.

 

Normenkette

SGB XII § 30 Abs. 1 Nr. 2, § 42 S. 1 Nr. 3; SGB IX § 69 Abs. 4-5; SGB X § 44 Abs. 1, § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 1

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 7. November 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung eines Mehrbedarfs gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) für den Zeitraum 1. August 2016 bis 30. Juni 2017 auf Grund rückwirkender Feststellung des Merkzeichens G durch das Versorgungsamt.

Die am ... April 1958 geborene Klägerin ist schwerbehindert. Sie bezieht Rente wegen voller Erwerbsminderung seit dem 1. August 2016; daneben bezog die Klägerin auch vom 1. August 2016 bis 30. Juni 2017 ergänzende Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (Grundsicherung bei Erwerbsminderung, Änderungsbescheid vom 31. August 2016, Änderungsbescheid vom 10. März 2017, Änderungsbescheid vom 10. März 2017). Dabei wurde ausgehend vom geltenden Regelbedarf und den Kosten der Unterkunft und Heizung und zu berücksichtigendem Einkommen der Klägerin (Rente wegen Erwerbsminderung) ihr Leistungsanspruch berechnet, wobei jedoch ein Mehrbedarf in Folge einer Einschränkung des Gehvermögens (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII) nicht berücksichtigt wurde. Hierzu wurde auch keine Aussage gemacht.

Im Juli 2017 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und teilte mit, dass das Sozialgericht Mannheim (SG, Aktenzeichen: S 12 SB 632/15) das Land Baden-Württemberg in einem Schwerbehindertenstreitverfahren im September 2016 verurteilt hätte, dass Merkzeichen G festzustellen. Gegen diese Entscheidung sei vom Landesversorgungsamt Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (Aktenzeichen: L 8 SB 3876/16) eingelegt worden. Mittlerweile habe das Landesversorgungsamt diese Berufung jedoch mit Schriftsatz vom 10. Juli 2017 zurückgenommen. In der diesbezüglichen versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 4. Juli 2017 habe Dr. W. die Voraussetzungen für das Merkzeichen G schon ab dem 28. Oktober 2014 bestätigt. Die Klägerin legte im Weiteren den Bescheid der Versorgungsverwaltung vom 7. August 2017 sowie den dazugehörigen Schwerbehindertenausweis vor, wonach der Grad der Behinderung (GdB) für die Zeit seit dem 28. Oktober 2014 auf 90 v.H. erhöht worden ist. Zudem stellte das Versorgungsamt hierin - ebenfalls zum 28. Oktober 2014 - eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G) förmlich fest.

Mit Bescheid vom 27. Juli 2017 erhöhte die Beklagte die laufenden Sozialhilfeleistungen der Klägerin ab dem Monat August 2017 (bei unveränderten Verhältnissen befristet bis zum 31. Juli 2018) um den Mehrbedarfszuschlag bei Merkzeichen G (62,56 € monatlich auf 484,18 €). Mit einem weiteren Bescheid vom 3. August 2017 nahm die Beklagte auch für den Monat Juli 2017 eine entsprechende Leistungserhöhung vor (monatlicher Leistungsbetrag 486,52 €).

Gegen den Bescheid vom 27. Juli 2017 erhob die Klägerin am 2. August 2017 Widerspruch, den sie mit Schreiben vom 4. August 2017 auch auf den Bescheid vom 3. August 2017 bezog und trug zur Begründung vor, die Voraussetzungen für den Mehrbedarfszuschlag (Merkzeichen G) seien doch bereits ab dem 28. Oktober 2014 faktisch erfüllt. Zudem sei das Land Baden-Württemberg vom SG bereits am 14. September 2016 entsprechend verurteilt worden.

Mit Bescheid vom 10. August 2017 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Mehrbedarfszuschlags im Hinblick auf das Merkzeichen G für die Zeit vor dem 1. Juli 2017 ab. Der Mehrbedarfszuschlag könne nur und erst ab dem Zeitpunkt gewährt werden, ab dem ein entsprechender Bescheid bzw. Schwerbehindertenausweis des Versorgungsamtes vorliege. Alleine der Umstand, dass der betreffende Nachteilsausgleich von der Versorgungsverwaltung rückwirkend gewährt worden sei, sei zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nicht ausreichend.

Am 16. August 2017 erhob die...

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