Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Angemessenheitsgrenze für ein selbst genutztes Hausgrundstück

 

Leitsatz (amtlich)

Die Angemessenheit eines selbstgenutzten Hausgrundstücks gem § 12 Abs 3 Nr 4 SGB II richtet sich (allein) nach den Wohnflächengrenzen des 2. WoBauG und nicht nach der Einhaltung der nach der Wohnflächenverordnung bzw der aktuellen Landesbauordnung erforderlichen Raumhöhe für Aufenthaltsräume. Nachträgliche Änderungen der Landesbauordnung sind nicht zu berücksichtigen, solange die weitere Nutzung der Räume weder baurechtlich untersagt wird noch wesentlich eingeschränkt ist.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 27.04.2017; Aktenzeichen B 14 AS 24/17 B)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 26. Februar 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die endgültige Bewilligung von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.04.2010 bis 30.11.2010 streitig.

Der 1949 geborene, alleinstehende Kläger bezog vom Beklagten seit Januar 2005 bis 30.04.2014 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II. Er war im gesamten Zeitraum ohne Beschäftigung und hatte bereits zuvor Leistungen der Arbeitslosenhilfe erhalten. Seit 01.05.2014 erhält er eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.

Der Kläger ist Alleineigentümer eines Hausgrundstücks in ... B., N. Str. 23. Das Haus wurde ausweislich der vorliegenden Verwaltungsakten im Jahr 1820 gebaut und 1951 und 1961 renoviert. Es handelt sich um das Elternhaus des Klägers, das dieser mit einigen wenigen Jahren Unterbrechung seit seiner Geburt bewohnt.

Der Kläger ist zudem Eigentümer folgender landwirtschaftlicher Nutzflächen (vgl. vom Kläger vorgelegte Unterlagen zum „Neuen Bestand“ ausweislich des Flurbereinigungsnachweises vom 15.10.1997):

Flurstücknummer und Bezeichnung

Fläche

Werteinheit (WE)

1.

4996 Vorderes S. T. (Gartenland)

1 a 80 qm

1,14

2.

5430 S. (Ackerland)

1 ha 15 a 42 qm

67,23

3.

5473 A. (Ackerland und Grünland)

1 ha 15 a 42 qm

75,38

4.

5554 M.

1 ha 20 a 51 qm

78,41

5.

5791 K.

96 a 24 qm

23,13

6.

5905 G.

20 a 13 qm

100,65

Die unter Nr. 2 bis 5 genannten Flurstücke hat er seit Dezember 1997 (vgl. Pachtvertrag vom 03.12.1997) verpachtet. Das Grundstück mit der Flurnummer 5430 gab der Kläger nach den in den Akten befindlichen Unterlagen im November 2005 gegen den Empfang eines Geldbetrages im Rahmen der Flurbereinigung ab. Die Grundstücke Nr. 3 bis 5 sind ausweislich des Pachtvertrages vom 20.09.2005 seit November 2005 weiterhin verpachtet.

Mit Schreiben vom 29.04.2016 teilte der Kläger zudem mit, dass nach den Angaben des zuständigen Landratsamtes folgende kapitalisierten Werte in der Flurbereinigung (Stand 2002 bis 2010) bestanden hätten:

Flurstücknummer

Werteinheiten

Gesamtwert bei 214,74 Euro pro WE

1.

4996

1,13 WE

243,00 Euro

2.

5473

75,38 WE

16.187,00 Euro

3.

5554

78,46 WE

16.849,00 Euro

4.

5791

23,24 WE

4.991,00 Euro

5.

5905

99,20 WE

21.302,00 Euro

Der Beklagte hatte die Leistungen nach dem SGB II seit dem 01.01.2005 zunächst ohne Anrechnung von Vermögen als Zuschuss bewilligt. Zuletzt waren dem Kläger mit Bescheid vom 04.05.2009 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.06.2009 bis 30.11.2009 in Höhe von monatlich 483,94 Euro (Regelleistung in Höhe von 351,00 Euro abzüglich Pachteinnahmen in Höhe von 21,75 Euro sowie Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 154,69 Euro) bewilligt worden.

Am 14.05.2009 beauftragte der Beklagte den Gutachterausschuss bei der Gemeinde B. mit der Erstellung einer Verkehrswertermittlung. Nach diesem Gutachten vom 22.06.2009 wiesen die Wohnräume des Hauses im Erd- und Obergeschoss insgesamt eine Wohn- bzw. Nutzfläche von 107,49 qm auf. Der Bauzustand sei mittelmäßig, der Wärmedämmzustand niedrig und der Ausbau niedrig. Der Sachwert des Wohnhauses (inkl. Baunebenkosten, Scheune, Schuppen) betrage 85.076,00 Euro. Bei einem Abschlag für die Berücksichtigung der Lage auf dem Grundstücksmarkt ergebe sich einen Verkehrswert von 76.000,00 Euro zum Wertermittlungsstichtag.

Mit Schreiben vom 13.07.2009 teilte der Beklagte dem Kläger daraufhin mit, dass die Leistungen vorläufig eingestellt würden, da der Kläger über Vermögen verfüge, das die maßgeblichen Freibetragsgrenzen überschreite und aufgrund der Größe der Immobilie auch nicht zum nicht zu verwertenden Vermögen gehöre. Der Kläger sei daher nicht mehr hilfebedürftig und die Leistungszahlungen seien einzustellen, damit keine weiteren Überzahlungen entstünden. Der Kläger erhalte hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme.

Mit Änderungsbescheid vom 27.07.2009 wurden dem Kläger sodann für die Monate August und September 2009 darlehensweise Leistungen nach dem SGB II gewährt.

Nachdem der Kläger am 24.08.2009 beim Beklagten einen Weiterbewilligungsantrag gestellt hatte, lehnte der Beklagte...

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