Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung. richtige Klageart. Ausübung von Ermessen. hinreichende Begründung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Richtige Klageart gegen eine bescheidmäßig erklärte Aufrechnung ist die reine Anfechtungsklage. Eine zusätzliche Leistungsklage wäre unzulässig (Abweichung BSG vom 24.7.2003 - B 4 RA 60/02 R = SozR 4-1200 § 52 Nr 1). Denn mit der Kassation wird die im Verwaltungsakt liegende Regelung und nicht nur die Qualität als Verwaltungsakt beseitigt.

2. Eine Aufrechnung nach § 51 SGB 1 hat durch Verwaltungsakt zu erfolgen und erfordert die Ausübung von Ermessen (Abweichung zu BSG vom 24.7.2003 - B 4 RA 60/02 R aaO).

3. Die Ausübung von Ermessen ist im Bescheid hinreichend zu begründen. Die Verwendung von Leerformeln genügt jedenfalls dann nicht, wenn - wie im Fall der Aufrechnung - mehrere Handlungsalternativen in Betracht kommen.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 23.04.2008 und der Bescheid vom 25.06.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2007 sowie der Bescheid vom 12.10.2007 aufgehoben.

Der Bescheid vom 26.05.2009 wird ebenfalls aufgehoben.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer von der Beklagten erklärten Aufrechnung.

Der 1928 geborene Kläger steht seit November 1991 im Rentenbezug bei der Beklagten. Er erhielt auch Zuschüsse zu den Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung. Ausgehend von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- bzw. sozialen Pflegeversicherung seit dem 01.01.2000 forderte die Beklagte mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 24.02.2003 die entsprechenden Pflichtbeiträge für die Zeit vom 01.01.2000 bis 31.03.2003 in Höhe von insgesamt 3.972,54 €. Mit weiterem, ebenfalls bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 02.04.2003 hob sie für denselben Zeitraum die Bewilligung der Zuschüsse zu den Aufwendungen für die freiwillige Kranken- bzw. Pflegeversicherung auf und forderte Erstattung überzahlter Zuschüsse in Höhe von 4.052,14 €. Nachdem sie auf den Antrag des Klägers zunächst die Gesamtforderung in Höhe von 8.024,68 € wegen der damals vom Kläger geltend gemachten wirtschaftlichen Schwierigkeiten bis zum 31.03.2007 “niedergeschlagen„ hatte (Bescheid vom 01.03.2004), erklärte die Beklagte nach Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 25.06.2007 und Wirkung ab 01.08.2007 die Aufrechnung mit monatlich 400,- € gegen die Altersrente des Klägers (Zahlbetrag vor Aufrechnung damals 1.281,99 €). Die Auf- bzw. Verrechnung werde nach eingehender Prüfung für angemessen gehalten. Die Einwände des Klägers könnten nicht berücksichtigt werden, weil aus ihnen der Eintritt von Hilfebedürftigkeit herzuleiten sei. Die Deutsche Rentenversicherung Bund habe weder ihr Ermessen missbraucht noch die gesetzlichen Bestimmungen über die Aufrechnung bzw. Verrechnung fehlerhaft angewandt. Den Widerspruch des Klägers, mit dem er die Höhe seiner Mietzahlungen mit 621,34 € monatlich nachwies, wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2007 zurück. Die Deutsche Rentenversicherung Bund habe weder ihr Ermessen missbraucht noch die gesetzlichen Bestimmungen über die Aufrechnung bzw. Verrechnung fehlerhaft angewandt.

Während des hiergegen am 07.09.2007 beim Sozialgericht Reutlingen eingeleiteten Klageverfahrens hat die Beklagte - nachdem der Kläger eine Bestätigung der Stadt T. als Grundsicherungsträger über einen Bedarf nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch in Höhe von 79,77 € nachgewiesen hatte - mit Bescheid vom 12.10.2007 die “Auf- bzw. Verrechnung„ in Abänderung des Bescheides vom 25.06.2007 auf monatlich 320,- € ab 01.09.2007 reduziert.

Mit Gerichtsbescheid vom 23.04.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Aufrechnung lägen vor, Ermessensfehler seien nicht erkennbar.

Gegen den ihm am 25.04.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 26.05.2008 (Montag) Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 26.05.2009 die “Auf- bzw. Verrechnung„ in Abänderung des Bescheides vom 12.10.2007 ab 01.07.2009 im Hinblick auf einen vom Grundsicherungsträger ermittelten höheren Bedarfssatz auf monatlich 209,24 € reduziert.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 23.04.2008 und den Bescheid vom 25.06.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2007 sowie den Bescheid vom 12.10.2007 und den Bescheid vom 26.05.2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 26.05.2009 abzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die Akten über das Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht Reutlingen (S 10 R 3524/07 ER) sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Gegenstand des...

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