Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Rahmenvertrag nach § 79 SGB 12. Vergütungsvereinbarung gem § 75 Abs 3 SGB. Leistungstyp. Leistungserbringungsrecht. Nichtigkeit vertraglicher Vereinbarungen. Leistungsangebot

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die in den Landesrahmenverträgen nach § 79 SGB 12 vorgesehenen Leistungstypen beziehen sich nicht auf die Bedarfslagen einzelner Hilfeempfänger iS einer individuellen Bedarfsdeckungspflicht, sondern auf die von der Einrichtung für bestimmte abstrakt definierte Bedarfsgruppen zu erbringenden Sach- und Dienstleistungen, die Grundlage für das in Vergütungsvereinbarungen nach § 75 Abs 3 SGB 12 zu regelnde Entgelt sind. Die vergütungsmäßige Zuordnung der bewilligten Leistung zu einem Leistungstyp betrifft demnach das Leistungserbringerrecht und nicht den individuellen Hilfebedarf des Hilfeempfängers.

2. Vertragliche Vereinbarungen zwischen Einrichtungsträger und Hilfeempfänger, die bestehende oder künftige Ansprüche auf Sozialleistungen zu dessen Lasten beeinflussen oder anspruchsrelevante Pflichten verschärfen, sind nach § 32 SGB 1 nichtig. Der Einrichtungsträger ist deshalb - entsprechend dem Rechtsgedanken der §§ 7 Abs 2 und 9 Abs 1 WBVG - bei teilstationären Hilfen grundsätzlich daran gehindert, im zivilrechtlichen Erfüllungsverhältnis einseitig eine Erhöhung der Vergütung zu Lasten des Hilfeempfängers zu verlangen.

3. Der Einrichtungsträger ist verpflichtet, selbst auf den Abschluss einer Vereinbarung oder die Ergänzung einer bestehenden Vereinbarung mit dem Sozialhilfeträger hinzuwirken, sofern er meint, die Höhe der Vergütung entspreche nicht dem Betreuungsaufwand.

 

Orientierungssatz

Nicht jede einzelne Betreuungsmaßnahme, die mit der Zuordnung zu einem bestimmten Leistungstyp verbunden ist, muss eigens in einem Leistungsangebot aufgeführt sein, um für den Leistungserbringer verbindlich zu sein (vgl BGH vom 2.12.2010 - III ZR 19/10 = MDR 2011, 103).

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Januar 2011 aufgehoben.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die unter Beachtung der Vorschriften der §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegte Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht (§ 86b Abs. 2 Satz 3 SGG). Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend (Satz 4 a.a.O.).

Der Senat lässt es dahingestellt sein, ob das Sozialgericht Freiburg (SG) mit Blick auf das seit 11. Januar 2011 beim Landessozialgericht (LSG) anhängige Berufungsverfahren (L 7 SO 135/11) für den am selben Tag eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung überhaupt - wie vom Antragsgegner beanstandet - als Gericht der Hauptsache zu betrachten war. Denn ungeachtet des bereits in dem - dem vorgenannten Berufungsverfahren vorausgegangenen - Klageverfahren vor dem SG (S 6 SO 2309/10) mit Schriftsatz vom 29. November 2010 auf den Zeitraum bis 31. Dezember 2010 beschränkten Klagebegehrens war der Senat kraft des in der Geschäftsverteilung geregelten Sachzusammenhangs ohnehin zur Entscheidung über die Sache berufen.

Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Neben der Statthafthaftigkeit und Zulässigkeit des Antrags auf Erlass bedarf es weiter der Anordnungsvoraussetzungen (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164); eine einstweilige Anordnung darf demnach nur erlassen werden, wenn sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund gegeben sind. Dabei betrifft der Anordnungsanspruch die Frage der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs, während der Anordnungsgrund nur bei Eilbedürftigkeit zu bejahen ist. Denn die Regelungsanordnung dient zur “Abwendung„ wesentlicher Nachteile mit dem Ziel, dem Betroffenen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller Notlagen notwendig sind (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 28. März 2007 - L 7 AS 121/07 ER-B - und 2. September 2010 - L 7 SO 1357/10 ER-B - ≪beide juris≫)...

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