Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Rehabilitation und Teilhabe. Schulbegleitung aufgrund einer Diabetes-Erkrankung. Verlängerungsantrag. einheitlicher Leistungsfall. Zuständigkeit des nach § 14 Abs 1 SGB 9 2018 ursprünglich leistenden Trägers. keine Weiterleitung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem einheitlichen Leistungsfall hat der nach § 14 Abs 1 SGB IX ursprünglich leistende Träger über den Verlängerungsantrag zu entscheiden. Eine Weiterleitung nach § 14 Abs 1 Satz 2 SGB IX scheidet in diesem Fall aus.

2. Die wegen einer Diabetes-Erkrankung benötigte Begleitung beim Schulbesuch stellt - jedenfalls solange es sich um den Besuch der Grundschule handelt - einen einheitlichen Leistungsfall dar.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 2. November 2020 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Begleitung für den Schulbesuch des Antragstellers streitig.

Der 2012 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin familienversichert. Er leidet an einem im Februar 2018 diagnostizierten Diabetes mellitus. Er ist mit einer Insulinpumpe und einem Flash Glucose Monitoring (FGM)-System versorgt, mit dem eine kontinuierliche Glucosemessung erfolgt. Die Insulintherapie erfolgt durch regelmäßige Messungen bzw. Ablesungen des Blutzuckers vor und nach den Mahlzeiten, die Errechnung der erforderlichen Insulindosis anhand des Kohlenhydratgehalts der Mahlzeit und des aktuellen Blutzuckers, die Abgabe der errechneten Insulinmenge über die Insulinpumpe sowie durch zusätzliche Messungen des Blutzuckers und dessen Interpretation in Sondersituationen, wie bspw. bei Symptomen einer Über- oder Unterzuckerung, vor dem Schulsport, längeren Ausflügen oder akut einsetzenden Erkrankungen. Beim Antragsteller wurde darüber hinaus eine Aufmerksamkeitsdefizit (hyperaktivitäts)störung AD(H)S festgestellt. Die bei der Antragsgegnerin errichtete Pflegekasse stufte den Antragsteller in Pflegegrad 2 ein. Es ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 sowie das Merkzeichen H festgestellt.

Der Antragsteller besucht seit April 2019 die R.-Grundschule in U.-G.. Nach Schuleintritt wurde im Laufe des ersten Schuljahres deutlich, dass der Antragsteller mit der Bewältigung der im Rahmen der Insulintherapie erforderlichen Maßnahmen überfordert war. Durch seinen Vater beantragte er am 19. August 2019 deshalb bei der Beigeladenen, ihm im Rahmen des Schulbesuchs für das im September 2019 beginnende 2. Schuljahr eine Begleitung zu gewähren. Zur Begründung führte er aus, sein Blutzucker sei schwer einstellbar und in der Schule komme es immer wieder zu Problemen mit der Blutzuckermessung und der entsprechenden Insulingabe, weshalb er bereits mehrfach den Unterricht vorzeitig habe verlassen müssen. Ein insoweit geschulter Lehrer sei an der Schule nicht vorhanden. Die Klassenlehrerin halte eine Schulbegleitung für sinnvoll. Mit Schreiben vom 23. August 2019 leitete die Beigeladene diesen Antrag gemäß § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) an die Antragsgegnerin mit dem Hinweis weiter, beantragt werde aus ihrer Sicht Behandlungspflege und ggf. Behandlungssicherungspflege. Da die Notwendigkeit einer pädagogischen Hilfe nicht erkennbar sei, falle der Antrag nicht in ihren Zuständigkeitsbereich. Nach Vorlage der „Verordnung häuslicher Krankenpflege“ des Prof. Dr. W., Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums U., vom 27. August 2019 für den Zeitraum vom 1. September 2019 bis 31. Juli 2020 und einer ärztlichen Stellungnahme des PD Dr. D., Oberarzt in der genannten Klinik, wandte sich die Antragsgegnerin im Rahmen der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen mit ergänzenden Fragen an die behandelnden Ärzte (Schreiben vom 11. September 2019), die sich trotz mehrfacher telefonischer Erinnerungen nicht äußerten.

Am 25. September 2019 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht U. (SG; S 16 KR 3397/19 ER), die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine Schulbegleitung zu gewähren. Die Antragsgegnerin trat dem Antrag entgegen. Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erhielten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich sei. Nach Nr. 24 des Leistungsverzeichnisses zu der „Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung häuslicher Krankenpflege“ (Häusliche Krankenpflege-Richtlinie, HKP-RL) sei eine spezielle Krankenbeobachtung verordnungsfähig, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit sofortige pflegerische/ärztliche Intervention bei lebensbedrohlichen Situationen täglich erforderlich sei und nur die genauen Zeitpunkte und das genaue Ausmaß nicht im Voraus bestimmt werden könnten. Diese Vora...

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