Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. zulässiger Rechtsweg. Klage eines Insolvenzverwalters gegen eine gesetzliche Krankenkasse auf Auskunftserteilung nach § 1 Abs 1 S 1 IFG. Informationsbegehren. Rechtsgrundlage. Rechtswegzuständigkeit. Verwaltungsrechtsweg. Gericht des zulässigen Rechtswegs. objektive Klagehäufung. Recht auf Akteneinsicht

 

Leitsatz (amtlich)

Für Klagen von Personen, die nicht selbst Inhaber von Rechten oder Pflichten nach dem SGB 5 sind (hier: eines Insolvenzverwalters), auf Auskunft nach dem IFG gegen gesetzliche Krankenkassen sind die Verwaltungsgerichte zuständig.

 

Orientierungssatz

1. Mit der Regelung des § 1 Abs 1 S 1 IFG hat der Gesetzgeber einen einheitlichen und eigenständigen Informationsanspruch gegenüber den Behörden des Bundes statuiert, der weder an die Beteiligung in einem laufenden oder abgeschlossenen Verwaltungsverfahren anknüpft, noch eine vorbestehende Rechtsbeziehung zwischen dem Auskunftsbegehrenden und der zur Entscheidung über dieses Begehren zuständigen Behörde voraussetzt. Der Anspruch richtet sich nach § 7 Abs 1 IFG gegen die Behörde, die über die gewünschten Informationen verfügungsberechtigt ist. Eine Streitigkeit über den Informationsanspruch nach dem IFG entsteht damit nicht anlässlich der Durchführung der öffentlichen Aufgabe "Sozialversicherung" und die Streitigkeit hat auch ihre materiell-rechtliche Grundlage nicht im Sozialversicherungsrecht.

2. § 17 Abs 2 S 1 GVG idF vom 17.12.1990 hindert das Gericht nicht, bei einer Mehrheit prozessualer Ansprüche für einen dieser Ansprüche die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges zu verneinen (vgl BGH vom 28.2.1991 - III ZR 53/90 = BGHZ 114, 1 = NJW 1991, 1686).

3. Der Anspruch auf Akteneinsicht gem § 25 SGB 10 ist auf ein anhängiges Verwaltungsverfahren beschränkt und kann zudem nicht isoliert im Klageverfahren geltend gemacht werden.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 04.04.2012; Aktenzeichen B 12 SF 1/10 R)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 15. März 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beschwerde an das Bundessozialgericht wird zugelassen.

 

Gründe

I. Im Streit ist im Rahmen eines Zwischenverfahrens die Zulässigkeit des vom Kläger beschrittenen Rechtswegs zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Insolvenzschuldners S. A. In dieser Eigenschaft forderte er mit Schreiben vom 25.08.2009 die Beklagte zur Auskunftserteilung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG - vom 05.09.2005, BGBl. I S. 2722) auf. Er bat um Mitteilung, welche Beträge der Insolvenzschuldner an diese gezahlt habe sowie um Überlassung eines Kontoauszugs/Kontoübersicht, aus der die jeweilige (Teil-)Zahlung und das entsprechende Datum ersichtlich ist. Er nahm Bezug auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, wonach dem Insolvenzverwalter kraft Amtes ein Anspruch nach § 1 Abs. 1 IFG zustehe.

Mit Schreiben vom 09.09.2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er kein Auskunftsrecht nach § 1 Abs. 1 S. 1 IFG habe, da die angeforderten Informationen aus dem eigenen Verantwortungsbereich stammten (§ 9 Abs. 3 IFG). Er wurde auf Auskunftsansprüche gegenüber dem Insolvenzschuldner nach § 97 InsO verwiesen. Zudem sei davon auszugehen, dass die Auskünfte der Feststellung von Anfechtungsansprüchen zu dienen bestimmt seien. Insoweit sei der mögliche Anfechtungsgegner nicht zur Auskunft verpflichtet. Hiergegen legte der Kläger unter dem 27.10.2009 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 13.01.2010 im Wesentlichen aus den Gründen des Ausgangsbescheids zurückgewiesen wurde. Zusätzlich äußerte die Beklagte Zweifel daran, ob sie eine Behörde des Bundes i.S.v. § 1 IFG sei. In der Rechtsmittelbelehrung wurde auf die Möglichkeit der Klageerhebung beim Sozialgericht Heilbronn hingewiesen.

Der Kläger hat am 15.02.2010 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und u.a. geltend gemacht, dass der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gegeben sei. Dies ergebe sich bereits aus § 9 IFG, der für das Widerspruchsverfahren - nur - auf die Vorschriften der VwGO verweise (unter Hinweis auf Urteil des VG Stuttgart vom 18.08.2009 - 8 K 101 1/09 -). Das Verwaltungsgericht Stuttgart sei gemäß § 52 Nr. 2 S. 1 und 2 VwGO örtlich zuständig, da die Beklagte als bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung ihren Sitz in der Marienstraße 19 in 70178 Stuttgart und somit im Bezirk des Verwaltungsgerichts Stuttgart habe.

Das SG hat den Rechtstreit mit Beschluss vom 15.03.2010 an das Verwaltungsgericht Stuttgart verwiesen und sich die Rechtsansicht der vom Kläger zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart zu eigen gemacht.

Gegen diese ihr am 15.04.2010 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte am 19.04.2010 Beschwerde ei...

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