Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf wegen Alleinerziehung. geschiedene mit dem gemeinsamen Kind zusammenlebende Elternteile. Umfang der Beteiligung des Kindsvaters an der Erziehung und Pflege des Kindes

 

Orientierungssatz

Ein Mehrbedarf für Alleinerziehende nach § 21 Abs 3 SGB 2 kann nicht gewährt werden, wenn geschiedene Elternteile mit dem gemeinsamen Kind in einer Wohnung zusammenleben und der Kindsvater noch in einem Umfang an der Erziehung und Pflege des Kindes mitgewirkt hat, der den Tatbestand der Alleinerziehung durch den anderen Elternteil ausschließt.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 17.02.2020; Aktenzeichen B 4 AS 11/20 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 23. Januar 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I. Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2017.

Die 1973 geborene Klägerin ist die Mutter der am 1. Mai 2010 geborenen Tochter M. und des am 12. Oktober 2014 geborenen Sohnes L. Vater der Kinder ist der am 28. Oktober 1968 geborene L. Am 11. Dezember 2014 wurde die Ehe geschlossen, seit September 2015 lebten die Ehepartner in der ehelichen Wohnung getrennt und mit Beschluss des Amtsgerichts Konstanz (5 F 204/16) vom 10. Januar 2017 wurde die Ehe geschieden. Mitte Januar 2019 ist die Klägerin aus der vormals ehelichen Wohnung ausgezogen. Die Wohnung befindet sich im Dachgeschoss des Hauses der (ehemaligen) Schwiegereltern der Klägerin. Die Schwiegereltern selbst leben im Erdgeschoss und die (ehemalige) Schwägerin mit Ehemann im ersten Stock des Hauses.

Seit 1. Januar 2016 bezieht die Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Mit Bescheid vom 24. November 2016 bzw. Änderungsbescheid vom 26. November 2016 wurden der Klägerin und ihrem Sohn L. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2017 bewilligt; mit Änderungsbescheid vom 7. Dezember 2016 wurden wegen Wegfalls des Bezugs von Krankengeld und Berücksichtigung des Bezugs von Arbeitslosengeld bzw. wegen des Wegfalls des Bezugs von Arbeitslosengeld Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Klägerin und ihren Sohn L. in Höhe von 129,10 € für den Zeitraum Januar bis September 2017, in Höhe von 294,72 € für den Oktober 2017 und in Höhe von 454,00 € für den Zeitraum November bis Dezember 2017 bewilligt. Nicht berücksichtigt wurde in allen drei Bewilligungsbescheiden ein Mehrbedarf der Klägerin für Alleinerziehende gemäß § 21 Abs. 3 SGB II.

Gegen den Bescheid vom 24. November 2016 erhob der Bevollmächtigte der Klägerin am 6. Dezember 2016 Widerspruch und rügte, dass der Mehrbedarf für Alleinerziehende der Klägerin im Bezug auf ihren Sohn L. nicht berücksichtigt worden sei. Die Klägerin und ihr Ehemann lebten seit geraumer Zeit getrennt. Hinsichtlich der Kinder sei eine Regelung dahingehend getroffen worden, dass die Klägerin für den Sohn und der Ehemann für die Tochter sorge. Die Klägerin und ihr Sohn würden ein Zimmer bewohnen; der Ehemann würde mit der Tochter das andere Zimmer bewohnen. Nur Bad und Küche würden als gemeinschaftliche Räume angesehen, allerdings nicht gleichzeitig benutzt werden. Bezüglich der Frage, welche Person erziehe und pflege, sei auf die tatsächlichen und nicht die rechtlichen Verhältnisse abzustellen. Der Vater des Sohnes würde sich nur in geringem Umfang an dessen Pflege und Erziehung beteiligen. Er sorge für ihn nur gelegentlich, wenn er abends von seiner Arbeit nach Hause komme und lasse ihm nur wenig Aufmerksamkeit und Zuwendung zukommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2016 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Es sei davon auszugehen, dass sich der Kindsvater an der Pflege und Erziehung seines noch in derselben Wohnung wohnenden Sohnes beteilige und die Pflege und Erziehung nicht durch die Klägerin allein erfolge. Die Klägerin sei nicht alleinerziehend im Sinne von § 21 Abs. 3 SGB II.

Am 11. Januar 2017 hat der Bevollmächtigte der Klägerin beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben und nochmals ausgeführt, dass sich der Vater nur in geringem Umfang an der Pflege und Erziehung seines Sohnes beteilige.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat ausgeführt, dass es nicht nachvollziehbar sei, dass sich der Vater tatsächlich praktisch vollständig aus der Erziehung und Pflege seines Sohnes heraushalte, obwohl er ihn tagtäglich sehe und mit ihm zusammenlebe.

Mit Änderungsbescheiden vom 13. Juni 2017, 7.Juli 2017, 1. September 2017, 4. September 2017, 23. Oktober 2017, 30. Oktober 2017, 30. Oktober 2017 und 6. Dezember 2017 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrem Sohn L. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (auch) Monate betreffend im streitgegenständlichen Zeitraum 1. Januar bis 31. ...

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