Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingeschränkte Dienstfähigkeit nach Arbeitsunfähigkeit;

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers endet im Grundsatz am letzten Tag der in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung attestierten Periode.

2. Der Arbeitgeber darf nach Ablauf der Periode die Annahme der vom Arbeitnehmer angebotenen Arbeitskraft ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht von der Vorlage einer „Gesundschreibung” abhängig machen. Bei Ablehnung des Arbeitskraftangebots trägt er dann das Risiko der Entgeltfortzahlung bei objektiv vorhandener Leistungsfähigkeit; kündigungsrechtlich kann er sich in der Regel nicht auf den Gesichtspunkt der „Arbeitsverweigerung” berufen, wenn der Arbeitnehmer die geforderte „Gesundschreibung” nicht oder verspätet beibringt.

 

Normenkette

BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 24.10.2000; Aktenzeichen 80 Ca 7983/00)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. Oktober 2000 – 80 Ca 7983/00 – geändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 23. Juni 2000 nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst ist.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier von dem Beklagten, der eine Hausverwaltung betreibt, gegenüber der als Sekretärin seit 1983 beschäftigten Klägerin ausgesprochenen Kündigungen, und zwar einer Kündigung vom 31. Mai 2000 zum 30. November 2000 sowie einer fristlosen Kündigung vom 23. Juni 2000.

Vorangegangen war dem, dass die Klägerin nach einer längeren Arbeitsunfähigkeitsperiode seit Juni 1999 am 1. März 2000 eine stufenweise Wiedereingliederung in die Arbeitstätigkeit begehrt hatte, was der Beklagte abgelehnt hatte. Dieser stellte im Mai 2000 einen Antrag bei der Hauptfürsorgestelle auf Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung und sprach nach Zustimmungserteilung am 31. Mai 2000 eine solche auch aus. Am 5. Juni 2000 bot die Klägerin ihre Arbeitskraft an, deren Annahme der Beklagte ablehnte und eine Bescheinigung über die Arbeitsfähigkeit der Klägerin begehrte. Mit Schreiben vom 6. Juni 2000, 7. Juni 2000 und 13. Juni 2000 forderte der Beklagte die Klägerin erneut zur Vorlage einer Arbeitsfähigkeitsbescheinigung bzw. zum Erscheinen am Arbeitsplatz auf und erteilte Abmahnungen, auf die schließlich am 23. Juni 2000 eine fristlose Kündigung erfolgte.

Von einer näheren Darstellung des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung abgesehen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 24. Oktober 2000 die gegen die Wirksamkeit der Kündigung gerichtete Klage der Klägerin abgewiesen und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 23. Juni 2000 beendet worden sei. Die Klägerin habe nachhaltig ihre Arbeitspflicht verletzt. Spätestens mit Schreiben vom 7. Juni 2000 habe der Beklagte unmissverständlich klargestellt, dass eine Freistellung der Klägerin bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht beabsichtigt sei, darin sei die Klägerin auch aufgefordert worden, unter Vorlage eines ärztlichen Attestes über ihre Dienstfähigkeit die Arbeit wieder aufzunehmen, wenn sie arbeitsfähig sein solle. Die Klägerin habe mithin spätestens am 8. Juni 2000 ihre Arbeitskraft am Arbeitsort tatsächlich anbieten und die Arbeit aufnehmen müssen. Zwar habe der Beklagte keinen Anspruch darauf gehabt, dass ihm eine „Gesundschreibung” vorgelegt werde, jedoch habe sich die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag in dem Gespräch am 5. Juni 2000 bereit erklärt, eine solche beizubringen. Hieran müsse sie sich festhalten lassen. Sie habe sich auch am 15. Juni 2000 ein solches ärztliches Attest ausstellen lassen, jedoch ihre Arbeit bei dem Beklagten nicht aufgenommen. Auch nach dem 21. Juni 2000, als ihr die Bescheinigung wieder vorgelegen habe, sei sie nicht zur Arbeit erschienen, sondern habe lediglich schriftlich ihre Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme erklärt. Dies habe nicht ausgereicht, die Klägerin habe vielmehr ihre Arbeitsleistung tatsächlich anbieten müssen. Auch eine Interessenabwägung falle nicht zugunsten der Klägerin aus. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 206 ff. d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses am 16. November 2000 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 11. Dezember 2000 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem beim Landesarbeitsgericht – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 31. Januar 2001 – am 31. Januar 2001 eingegangenen Schriftsatz begründet worden ist.

Die Klägerin und Berufungsklägerin bleibt auch in der Berufungsinstanz bei ihrer Auffassung, die fristlose Kündigung sei unwirksam. Sie verweist zunächst darauf, dass sie gegen die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle Widerspruch eingelegt habe. Insbesondere aber habe kein „wichtiger Grund” im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorgelegen. Sie habe am 5. Juni 2...

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