Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderkündigungsschutz bei beantragter Gleichstellung. Gleichstellungsantrag. Integrationsamt. Sonderkündigungsschutz

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Ausschluss des Sonderkündigungsschutzes nach § 90 Abs. 2a SGB IX ist auch auf das Gleichstellungsverfahren nach § 68 SGB IX anwendbar (Anschluss an LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 12.10.2005 – 10 Sa 502/05).

 

Normenkette

SGB IX § 90 Abs. 2a, § 85

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Urteil vom 31.03.2006; Aktenzeichen 16 Ca 19/06)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, Kammern Villingen-Schwenningen vom 31.03.2006, Az. 16 Ca 19/06 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der am 0.0.1949 geborene Kläger war bei dem Beklagten seit 01.02.2005 als Schlosser mit einem durchschnittlichen monatlichen Verdienst von 2.250,00 EUR angestellt. Der Beklagte beschäftigt regelmäßig weniger als 10 Arbeitnehmer.

Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis am 13.01.2006 schriftlich zum 15.02.2006 gekündigt. Zuvor hat der Kläger am 28.12.2005 bei der Agentur für Arbeit die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen beantragt. Am 30.01.2006 hat die Agentur für Arbeit den Gleichstellungsantrag positiv beschieden.

Mit der am 02.02.2006 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass die streitgegenständliche Kündigung wegen fehlender Zustimmung des Integrationsamtes rechtsunwirksam sei.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 13.01.2006 zum 15.02.2006 nicht aufgelöst ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Zustimmung des Integrationsamtes nach § 90 Abs. 2 a SGB IX nicht erforderlich gewesen sei, da der Gleichstellungsantrag nicht ausreichend frühzeitig vor Ausspruch der Kündigung gestellt worden sei und § 90 Abs. 2 a SGB IX im Gleichstellungsverfahren anwendbar sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Eine Zustimmung des Integrationsamtes gemäß § 85 SGB IX sei nicht erforderlich gewesen, da § 90 Abs. 2 a Alt. 2 SGB IX auf das Gleichstellungsverfahren jedenfalls analog anwendbar sei. Zwar beziehe sich die Regelung des § 90 Abs. 2 a SGB IX vom unmittelbaren Wortlaut her nur auf das Feststellungsverfahren einer Schwerbehinderung. Einer unmittelbaren

Anwendung dieser Vorschrift auf das Gleichstellungsverfahren stehe die Verweisung auf die Fristenregelungen im Verfahren zur Anerkennung als Schwerbehinderter vor den Versorgungsämtern entgegen. Es liege jedoch eine planwidrige Regelungslücke vor. Der Regelungszweck des § 90 Abs. 2 a Alt. 2 SGB IX, nämlich dem Arbeitnehmer den Sonderkündigungsschutz nur zu gewähren, wenn entweder zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die Voraussetzungen festgestellt waren oder ein entsprechender Antrag ohne Mitwirkungsverschulden des Arbeitnehmers von der Behörde bis zum Ausspruch der Kündigung hätte bearbeitet werden können, sei auch im Gleichstellungsverfahren einschlägig. Ob die in § 90 Abs. 2 a Alt. 2 SGB IX in Bezug genommenen Fristen ebenfalls analog angewendet werden müssen, könne dahingestellt bleiben, da der Gleichstellungsantrag vor allem wegen der Ferienzeiten und der Feiertage nach üblichem Bearbeitungsgang nicht realistisch bereits am 13.01.2006 bearbeitet sein konnte. Ergänzend wird auf die weitere Begründung verwiesen (dok. in der Entscheidungssammlung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – www.lag.bwl.de).

Gegen das dem Kläger am 18.04.2006 zugestellte Urteil hat dieser am 21.04.2006 Berufung eingelegt und diese am 10.05.2006 begründet.

Der Kläger sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass § 90 Abs. 2 a SGB IX analog auf das Gleichstellungsverfahren anwendbar sei.

Der Kläger hat beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, Kammern Villingen-Schwenningen vom 31.03.2006, Az. 16 Ca 19/06 abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 13.01.2006 zum 15.02.2006 nicht aufgelöst ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht habe mit überzeugender Begründung § 90 Abs. 2 a SGB IX analog auf das Gleichstellungsverfahren angewandt.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Zustimmung des Integrationsamtes zur am 13.01.2006 ausgesprochenen Kündigung nicht notwendig war.

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. den §§ 517, 519 Abs. 1, 2 ZPO fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung ist nicht begründet, da nach § 90 Abs. 2 a SGB IX der vom Kläger als Unwirksamkeitsgrund geltend gemachte Sonderkündigungsschutz nicht besteht.

1. Nach den §§ 85 SGB IX, 68 Abs. 3 SGB IX bedarf die Kündigung eines Schwerbehinderten gleichgestellten Arbeit...

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