Rz. 10

Die Möglichkeit der Abzweigung ist zudem auf laufende Geldleistungsansprüche beschränkt, die der Sicherung des Lebensunterhaltes zu dienen bestimmt sind, die also typischerweise für Ernährung, Unterkunft, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat und für sonstige persönliche Bedürfnisse auch der Angehörigen verwandt werden. Ob die Geldleistungen im Einzelfall tatsächlich dafür ausreichten oder dafür verwandt wurden, ist nicht entscheidend. Diese Unterhaltsfunktion kommt insbesondere den Renten und insbesondere Lohnersatzleistungen (Arbeitslosen-, Kranken-, Übergangs- und Unterhaltsgeld) zu, und zwar auch dann, wenn bei deren Höhe ein Unterhaltsbedarf und/oder der Familienstand keinen Einfluss auf die Höhe haben. Auch die Leistungen nach dem SGB II und der zusätzliche befristete Zuschlag nach § 24 SGB II (i. d. F. d. Gesetzes v. 24.12.2003, BGBl. I S. 2954), wenn Arbeitslosengeld II nach dem Bezug von Arbeitslosengeld bezogen wurde, dienen der Sicherung des Lebensunterhalts und können abgezweigt werden (vgl. BSG, Urteil v. 17.3.2009, B 14 AS 34/07 R, SozR 4-1200 § 48 Nr. 3 = FEVS 2010 S. 55). Allerdings ist hier zu beachten, dass die Leistungen der Grundsicherung nach § 7 SGB II zwar durch einen Bescheid an ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft als Vertreter festgestellt und an diesen als Bevollmächtigten ausgezahlt werden können (§ 38 SGB II und Komm. dort), die Leistungen der Bedarfsgemeinschaft setzen sich jedoch aus den Einzelansprüchen der Mitglieder zusammen, die diese auch selbst verfolgen können (BSG, Urteil v. 7.11.2006, B 7b AS 8/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 1). Wird daher mit dem Antrag auf Abzweigung wegen Verletzung der Unterhaltspflicht geltend gemacht, dass der Berechtigte die ihm zustehende Leistung nach dem SGB II tatsächlich nicht erhält, dürfte die Vermutung der Vertretungsbefugnis widerlegt sein, so dass der Einzelanspruch an das Mitglied der Bedarfsgemeinschaft (unmittelbar und als eigener Anspruch) auszuzahlen ist. Da die Leistungen nach dem SGB II das "soziokulturelle Existenzminimum" und damit den notwendigen Selbstbehalt i. S. d. Selbstbehalt nach § 850d ZPO darstellen, kommt eine Vollstreckung in Form der Abzweigung nicht in Betracht (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 21.1.2016, L 6 AS 1200/13, Breithaupt 2016 S. 480).

 

Rz. 11

Die Beschränkung auf Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts soll ausschließen, solche laufenden Zahlungen der Abzweigung zu unterwerfen, die dem Ausgleich einer besonderen persönlichen Bedarfslage des Berechtigten dienen und dafür dann nicht mehr zweckentsprechend zur Verfügung ständen. Hierbei ist auf den gesetzlichen Zweck abzustellen, so dass die tatsächliche Verwendung dieser Leistungen zum allgemeinen Lebensunterhalt unerheblich ist. Insbesondere gehören die zum Ausgleich eines Körperschadens als Entschädigung zu zahlenden Grundrenten nach dem BVG oder anderer Gesetze, die das BVG für anwendbar erklären, Pflegegelder oder Pflegezulagen, Leistungen der Ausbildungsförderung und das zweckbestimmte Wohngeld nicht zu den Leistungen, die allgemein dem Lebensunterhalt dienen (zum Wohngeld a. A. Mrozynski, SGB I, 5. Aufl., § 48 Rz. 16). Eine Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung stellt eine laufende Geldleistung dar, die auch wie Arbeitseinkommen pfändbar ist (BGH, Beschluss v. 20.10.2016, IX ZB 66/15, WM 2016 S. 2317). Nicht zu den Leistungen zum Lebensunterhalt gehören auch die Ansprüche auf Zuschüsse zur freiwilligen gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung durch den Rentenversicherungsträger (§ 106 SGB VI), da diese zweckgebunden sind.

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