0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

§ 34 in der Ausgangsfassung des SGB I v. 11.12.1975 (BGBl. I S. 3015) enthielt ab dem 1.1.1976 ursprünglich das Anhörungsrecht vor Erlass eines eingreifenden Verwaltungsakts, das mit Art. II § 28 Nr. 1, § 40 Abs. 1 des SGB – Verwaltungsverfahren – v. 18.8.1980 (BGBl. I S. 1469) ab 1.1.1981 aufgehoben und in § 24 SGB X übernommen und dort geregelt wurde.

Mit Art. 6 § 6, Art. 7 § 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts v. 25.7.1986 (BGBl. I S. 1142) erhielt die Vorschrift mit Wirkung zum 1.9.1986 den jetzigen Regelungsinhalt.

Durch Art. 2 Nr. 3, Art. 85 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 – RRG 1992) v. 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261) wurden mit Wirkung zum 1.1.1992 in Abs. 2 die Worte "verwitweter Ehegatten auf Hinterbliebenenrente" durch "Ehegatten auf Witwenrente oder Witwerrente" ersetzt.

1 Allgemeines

 

Rz. 1a

Die Vorschrift bezieht sich darauf, dass vielfach in sozialrechtlichen Vorschriften an familienrechtliche Rechtsverhältnisse angeknüpft wird und damit dann Rechte oder Pflichten nach dem SGB verbunden sind oder sein können. Soweit es auf familienrechtliche Verhältnisse ankommt, ist bei solchen, die nach ausländischem Recht begründet wurden oder für die ausländisches Recht gilt, grundsätzlich auf die Vorschriften des internationalen Privatrechts abzustellen. Dieses internationale Recht ist, soweit es nicht mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist (Öffentlichen Ordnung [ordre public] Art. 6 EGBGB), dann auch für das SGB als maßgeblich zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil v. 3.12.1996, 10 RKg 12/94, BSGE 79 S. 277). Die Regelung ist daher keine Kollisionsnorm, die darüber befindet, ob inländisches (Sozial)Recht Anwendung findet, sondern setzt dies voraus (h. M. vgl. Fastabend, in: Hauck/Noftz, SGB I, § 34 Rz. 1, Stand: X/2013; Lilge, SGB I, 4. Aufl., § 34 Rz. 6; Mrozynski, SGB I, 5. Aufl., § 34 Rz. 2).

 

Rz. 1b

Die Regelung begrenzt, über Art. 6 EGBGB hinaus, die Anwendung von nach ausländischem Recht zu beurteilenden familienrechtlichen Tatbeständen auf solche Rechtsverhältnisse, die auch im deutschen Familienrecht existieren und jedenfalls mit solchen vergleichbar sind. Die Regelung ist dementsprechend im Gesetzentwurf (BT-Drs. 10/504 S. 96) damit begründet worden, dass die Vorschriften des SGB häufig an familienrechtliche Begriffe (z. B. Ehe, Annahme als Kind) anknüpfen, die nach internationalem Privatrecht durch das Recht eines anderen Staates ausgefüllt werden. Da den Vorschriften des SGB die Begriffsinhalte des deutschen bürgerlichen Rechts zugrunde liegen, müsse ausgeschlossen werden, dass das SGB dadurch ungewollt verändert werde, insbesondere Leistungsansprüche für neue Personenkreise begründet würden. Die gegenüber dem Gesetzentwurf erheblich veränderte und Gesetz gewordene Fassung ist in BT-Drs. 10/5632 S. 48 wie folgt begründet worden: "Die Vorschrift soll sicherstellen, dass im Rahmen der Anwendung des Sozialgesetzbuches fremden Recht unterliegende familienrechtliche Beziehungen nur dann wie solche nach deutschem Recht zu behandeln sind, wenn sie diesem im wesentlichen entsprechen. Dieser Gedanke soll durch die vorgeschlagene Fassung deutlicher als im Regierungsentwurf zum Ausdruck kommen."

 

Rz. 2

Die Vorschrift steht nicht unter dem Vorbehalt besonderer Bestimmungen (§ 37 Satz 2). Zwischen- oder überstaatliche Abkommen können jedoch nach § 30 Abs. 2 vorgehen.

2 Rechtspraxis

2.1 Regelungsinhalt (Abs. 1)

2.1.1 Ausgangspunkt: Familienrechtliches Rechtsverhältnis

 

Rz. 3

Im SGB und den nach § 68 als besondere Bücher des SGB geltenden Gesetzen knüpfen eine Reihe von Vorschriften an familienrechtliche Beziehungen oder Begriffe (Ehegatte, Kind, Annahme als Kind, Adoptionskinder, Scheidung etc.) oder daraus resultierende Ansprüche (Familienunterhalt, Unterhaltsanspruch etc.) an und machen diese zur Voraussetzung von Rechten und Pflichten.

 

Rz. 4

Soweit das SGB solche familienrechtlichen Begriffe verwendet und keine eigenständigen materiell-rechtlichen Definitionen enthält, wird dem Grunde nach von den Rechtsbegriffen i. S. d. BGB ausgegangen. Dabei werden den Regelungen stillschweigend auch das Verständnis der nach deutschem Familienrecht möglichen Rechtsbeziehungen zugrunde gelegt und zumeist überhaupt auch nur Regelungen für danach typische und mögliche Fallgestaltungen getroffen.

 

Rz. 5

Die familienrechtlichen Begriffe knüpfen zumeist an natürliche Verhältnisse (i. S. v. Tatsachen) an. Die Begriffe selbst sind jedoch auch (zumeist zivilrechtlich) bestimmt, so dass auch insbesondere das Familienrecht die Begriffe bestimmt. Dies kann z. B. bei Leihmutterschaft oder Minderjährigen-Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare Probleme aufwerfen (vgl. Eichenhofer, SGb 2016 S. 184). Vgl. auch Sanders, NJW 2017 S. 925, zur Frage des Vorliegens einer Familie nach europäischem Menschenrecht.

 

Rz. 6

Voraussetzung für die Anwendung des § 34 ist, dass bei der Anwendung des SGB die entscheidungsrelevante sozialrechtliche Vorschrift tatbestandlich an familienrechtliche Beziehungen oder Begriffe (Ehegatte, Kind, Annahme a...

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