Rz. 10

Mit Satz 2 werden einige Ziele genannt, zu denen das Sozialgesetzbuch durch Sozialleistungen beitragen soll. Eine Verpflichtung zur Umsetzung oder eine Inhaltsbestimmung ist daher mit deren Erwähnung nicht verbunden. Vielmehr bleibt die Selbstverantwortlichkeit vorderste Aufgabe des Einzelnen, zu der ihn die Sozialleistungen befähigen sollen. Mit der Benennung der Ziele wird erkennbar an Grundrechte angeknüpft, zu deren Verwirklichung die Sozialleistungen beitragen sollen, wobei nicht zu verkennen ist, dass damit zugleich ein Bezug auf die sozialen Rechte der §§ 3 bis 10 hergestellt wird.

 

Rz. 11

Die Aufgabe, dem Einzelnen ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, entspringt dem Gebot der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG. Es gehört zugleich aber auch zu den Mindestanforderungen, die an einen Sozialstaat zu stellen sind. Weder aus dem Begriff der Menschenwürde noch aus der Aufgabe der Daseinsabsicherung lässt sich jedoch ableiten, dass damit ein konkreter Lebensstandard gesichert werden muss, wobei sich der Lebensstandard ohnehin an dem durchschnittlichen Standard zu orientieren hat. Ein menschenwürdiges Dasein ist nicht bereits dann gesichert, wenn das absolute Existenzminimum gesichert ist. Das BVerfG hat im Urteil v. 9.2.2010 (1 BvL 1/09 u. a.) deutlich herausgehoben, dass die Menschenwürde jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zubilligt, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind, dies aber der Konkretisierung und stetigen ­Aktualisierung durch den Gesetzgeber bedarf, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Der Gesetzgeber kann dabei den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag decken, muss aber für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch ein­räumen.

 

Rz. 12

Mit dem Ziel der Sicherung des menschenwürdigen Daseins knüpfte die Vorschrift in der Ausgangsfassung primär an das soziale Recht des § 9 und die Regelungen der Sozialhilfe (SGB XII), an, dessen ausdrückliche Zielsetzung (§ 1 Abs. 1 SGB XII) die Ermöglichung der Führung eines der Würde des Menschen entsprechenden Lebens ist. Nach der Gesetzeslage nach Inkrafttreten des SGB II nimmt die Regelung auch auf die Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II Bezug.

 

Rz. 13

Das Ziel, gleiche Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit insbesondere auch für junge Menschen zu schaffen, knüpft an Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 GG an, wonach jeder das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit hat, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. Für die Entfaltung und Entwicklung der Persönlichkeit sind die Voraussetzungen in verschiedenster Hinsicht ungleich verteilt. Durch die Zielsetzung der Schaffung gleicher Voraussetzungen soll diese Ungleichheit im Sinne von zumindest Angleichung der Chancen ausgeglichen werden. Art. 3 Abs. 1 GG zwingt den Gesetzgeber insoweit zu beachten, dass eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten nicht anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (statt anderer nur BVerfG, Beschluss v. 6.12.1988, 2 BvL 18/84 – Berücksichtigung von Versorgungsbezügen neben der Rente für die Beitragsbemessung in der Krankenversicherung der Rentner).

 

Rz. 14

Mit dieser Zielvorstellung wird vor allem auf solche Sozialleistungen Bezug genommen, die dazu dienen, den Einzelnen überhaupt und ggf. ergänzend oder als Ausgleich bei Benachteiligungen in der Persönlichkeitsentwicklung und -entfaltung zu unterstützen und zu fördern. Wie die ausdrückliche Erwähnung junger Menschen ergibt, gehören dazu die Jugendhilfe, insbesondere soweit sie Erziehung und Erziehungshilfe leistet, und die Bildungsförderung, weil dies unabdingbare Voraussetzungen für die Persönlichkeitsentwicklung sind. Dementsprechend ist in der Begründung zu § 8 (BT-Drs. 7/868 S. 24) auch ausgeführt, dass die Vorschrift klarstellt, dass junge Menschen ein eigenes Recht auf Erziehung haben, das der Entfaltung ihrer Persönlichkeit dient.

 

Rz. 15

Mit dem Ziel der Schaffung gleicher Voraussetzungen für die Entwicklung der Persönlichkeit wird auf die sozialen Rechte der Bildungs- und Ausbildungsförderung nach § 3 und der Kinder- und Jugendhilfe nach § 8 und, soweit die Leistungen zum Ausgleich einer Behinderung dienen, auch auf die Regelung des § 10 Bezug genommen, die ihrerseits nunmehr auf das SGB VIII und SGB IX, sowie das in § 68 Nr. 1 genannte Bundesausbildungsförderungsgesetz verweisen.

 

Rz. 16

Das Ziel, die Familie zu schützen und zu fördern, ist erst auf Vorschlag des ...

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