Rz. 4

In § 3 Abs. 2 wird zunächst in Satz 1 festgelegt, dass die kreisfreien Städte und die Kreise als örtliche Träger zuständig sind. Allerdings wird dem einzelnen Landesgesetzgeber die Möglichkeit eingeräumt, Abweichendes zu regeln. Die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg sind zugleich örtlicher und überörtlicher Träger der Sozialhilfe; die Stadt Bremerhafen ist ein eigener örtlicher Träger (vgl. auch Fichtner/Wenzel, a. a. O., § 3 Rz. 2).

Durch eine landesrechtliche Regelung kann aber keinesfalls bestimmt werden, dass die Aufgaben von der örtlichen auf die überörtliche Ebene verlagert werden, z. B. dadurch, dass man überörtliche Behörden (wie etwa Regierungspräsidenten oder Landschaftsverbände) zu örtlichen Sozialhilfeträgern erklärt.

Die Träger der Sozialhilfe sind im Übrigen frei darin, wie sie die Sozialhilfeverwaltung intern organisieren (Schoch, a. a. O., § 3 Rz. 11; Schellhorn, a. a. O., § 3 Rz. 12). Das im Einzelfall tätig werdende Sozialamt ist Behörde des jeweiligen Sozialhilfeträgers (Linhart/Adolph, a. a. O., § 3 Rz. 9). Wichtig ist, dass es für das Einsetzen der Sozialhilfe (vgl. § 18) auf die Kenntnis des jeweiligen Trägers und nicht des Sozialamtes ankommt (Linhart/Adolph, a. a. O.).

 

Rz. 5

Auch wenn die ursprüngliche Gesetzesbegründung mehr als dürftig ausfällt, kann wohl nur gemeint sein, dass der Landesgesetzgeber die Möglichkeit erhalten sollte, die örtliche Ebene von der Kreis- auf die Gemeindeebene herunterzuziehen. Es wäre dadurch zumindest theoretisch sichergestellt, dass eine noch unmittelbarere Bürgernähe erreicht werden könnte. Der einzelne Hilfesuchende müsste bei einer derartigen Regelung nicht mehr in die nächste Kreisstadt fahren, um seine Ansprüche anmelden zu können, sondern könnte vor Ort in der Gemeinde Hilfe erfahren.

Der Landesgesetzgeber muss bei seinen Entscheidungen allerdings stets beachten, dass die Eintrittsschwelle zur Erreichung von Sozialhilfeleistungen so niedrig wie möglich ausgestaltet werden muss. Hier kommt der auch für das SGB XII geltenden Vorschrift des § 17 SGB I besondere Bedeutung zu, in der Vorgaben zur "Ausführungen der Sozialleistungen" gemacht werden. Insoweit ist eben auch auf eine gewisse Bürgernähe zu achten. Bei Streitigkeiten zwischen Sozialhilfeträgern über die Zuständigkeit und Leistungsgewährung ist der zuerst angegangene Träger zur vorläufigen Leistungsgewährung verpflichtet, wenn dies vom Betroffenen beantragt wird (§ 43 SGB I, eine Regelung, die in der Praxis den Sozialhilfeträgern anscheinend kaum bekannt ist, da selbst im Falle der ausdrücklichen Hilfebeantragung unter Hinweis auf diese Rechtsgrundlage oftmals noch die Hilfe der Gerichte im einstweiligen Rechtsschutz erforderlich ist, um tatsächlich eine Leistungsaufnahme zu erreichen); vgl. hierzu auch Rz. 10. (vgl. auch Schoch, a. a. O., § 3 Rz. 15).

 

Rz. 6

Allerdings ist diese unmittelbare Ansiedlung der Sozialhilfeerbringung auf der untersten gemeindlichen Ebene nur dann möglich, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Die zukünftigen örtlichen Träger müssen mit der Aufgabenübertragung einverstanden sein.
  • Die zukünftigen örtlichen Träger müssen nach ihrer Leistungsfähigkeit geeignet sein, die Aufgaben der Sozialhilfe überhaupt erbringen zu können, und
  • außerdem muss sichergestellt sein, dass die Aufgabenerfüllung der Sozialhilfe im jeweils gesamten Kreisgebiet gewährleistet ist (Linhart/Adolph, a. a. O., § 3 Rz. 15; Steimer, in: Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Teil II, SGB XII, Bd. 1, 16. Lfg., § 3 Rz. 12; Schoch, a. a. O., § 3 Rz. 13; Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 3 Rz. 12, 13).

Kleinere Gemeinden können also nicht gegen ihren Willen zur Aufgabenerfüllung im Bereich der Sozialhilfe durch landesgesetzgeberische Regelungen herangezogen werden (Schlegel/Voelzke, a. a. O., § 3 Rz. 27).

Wehrt sich beispielsweise nur eine kreisangehörige Gemeinde gegen die Übertragung der Sozialhilfe von der Kreis- auf die Ortsebene, dann kommt dies quasi einem Minderheitenvotum gleich (Sperrminorität) und der Landesgesetzgeber muss es bei der Zuständigkeit auf der Kreisebene belassen. Bei einer Missachtung des Votums auch nur einer Gemeinde in einem Kreisgebiet wäre nämlich die Erfüllung der Aufgabe der Sozialhilfe im gesamten Kreisgebiet eben nicht mehr einheitlich sichergestellt. Der Kreis muss also in einem solchen Fall bei der ihm vom Bundesgesetzgeber zugewiesenen Aufgabe bleiben.

 

Rz. 7

Umgekehrt kann aber auch das Ansinnen einer kreisangehörigen Gemeinde, die Sozialhilfe in eigener Verantwortung durchführen zu wollen, unterbunden werden, wenn nach objektiver Prüfung diese Gemeinde zur Aufgabenerfüllung gar nicht in der Lage wäre (fehlende Leistungsfähigkeit). Eine kleine Gemeinde, die schon personell nicht in der Lage ist, alle in ihrem Gebiet lebenden Leistungsberechtigten gesetzeskonform zu betreuen, würde daher mit ihrem Wunsch nach Durchführung der Aufgabe in eigener Verantwortung scheitern (müssen).

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