0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift trat mit Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) zum 1.1.2005 (Art. 70 Abs. 1 des genannten Gesetzes) in Kraft.

Satz 1 wurde geändert durch die Neunte Zuständigkeitsanpassungsverordnung v. 31.10.2006 (BGBl. I S. 2407) mit Wirkung zum 8.11.2006.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift übertrug inhaltsgleich den früheren § 118 BSHG. Sie begründet als Spezialregelung zu § 75 SGB X, dass der Träger der Sozialhilfe befugt ist, Sozialdaten an Forschungsinstitute zu übermitteln, die im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Forschungsaufträge durchführen, im Rahmen derer die Wirksamkeit von gesetzlichen Regelungen im Bereich der sozialen Leistungen überprüft wird. Die Verbesserung der Effektivität der Sozialhilfe und vergleichbarer Gesetze über soziale Leistungen insbesondere mit dem Ziel, Bedürftigkeit zu überwinden, bedarf der fortlaufenden empirischen Forschung. Aus der Bundessozialhilfestatistik allein lassen sich die notwendigen empirischen Grundlagen nicht erschließen. Die Einschaltung von 16 obersten Landesbehörden gemäß § 75 Abs. 2 SGB X ist bei einem bundeseinheitlichen und notwendigerweise repräsentativen Forschungsvorhaben i. d. R. nicht praktikabel. Zudem hielt es der Gesetzgeber nicht für ausreichend, nur über die Sozialhilfestatistik nach den §§ 121 ff. SGB XII Datenmaterial für die empirische Forschung zu erlangen. Eine teilweise ähnliche, aber über § 119 hinausgehende Regelung findet sich unter dem Oberbegriff der Wirkungsforschung in § 55 SGB II (vgl. Komm. dort).

 

Rz. 3

Das Zweite Kapitel des SGB X bleibt durch § 119 unberührt. Insbesondere ist § 75 SGB X einschlägig, soweit es sich nicht um eine Forschung im Auftrag des Bundes i. S. v. § 119 handelt. Die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen werden im Übrigen dadurch gewahrt, dass enge datenschutzrechtliche Voraussetzungen zu beachten sind und dass der Betroffene vor der Übermittlung in die Lage versetzt wird, ihr zu widersprechen, sodass gegen den erklärten Willen des Betroffenen keine Übermittlung von Daten erfolgt und sein Sozialdatenschutz gewahrt ist (BT-Drs. 14/8531 S. 18, zur Einführung von § 118 BSHG).

2 Rechtspraxis

 

Rz. 4

Bei zurückhaltender Handhabung und enger Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Erforderlichkeit stehen der Norm keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen (näher Decker, in: Oestreicher/Decker, SGB II/XII, Stand September 2009, § 119 Rz. 6 ff.).

 

Rz. 5

Das in Rede stehende Forschungsvorhaben darf also bei Verwendung anonymisierter oder teilanonymisierter Daten nicht durchführbar sein und muss seiner Art und Zielsetzung nach die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen an einem Ausschluss der Übermittlung ihrer Daten erheblich überwiegen, was ggf. gerichtlich voll nachprüfbar ist (Decker, a. a. O., Rz. 24 ff.).

 

Rz. 6

Wichtig ist ferner, dass die schriftliche Belehrung der Betroffenen über ihr Widerspruchsrecht rechtzeitig vor der Übermittlung stattfindet und (zu Beweiszwecken) mittels Zustellungsurkunde erfolgt (Decker, a. a. O., Rz. 17 ff.).

 

Rz. 7

Bei einem Verstoß gegen § 119, insbesondere die vollständige Informationspflicht, oder einem Widerspruch nach Übermittlung ist die Erhebung der Daten rechtswidrig, woraus dem Betroffenen ein Anspruch auf Löschung der Daten – in Abhängigkeit von der Organisationsform der Forschungseinrichtung – nach der DSGVO bzw. dem Bundesdaten- oder Landesdatenschutzgesetz erwächst (vgl.Theuerkauf, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., Stand 1.2.2020, § 119 Rz. 28).

3 Literatur

 

Rz. 8

Heyer/Hammer, Neue Impulse in der Arbeitsmarktforschung, ASP 2002 Nr. 5/6 S. 34.

Kunkel, Übersicht über den Sozialdatenschutz nach seiner Neuregelung (Stand 1.7.2002), ZfF 2002 S. 195.

Martens, Vermuteter Sozialmissbrauch und gefühlte Kostenexplosion beim Arbeitslosengeld II, SozSich 2005 S. 358.

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