0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist nach Art. 70 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) zum 1.1.2005 in Kraft getreten. Das BSHG kannte keine eigene Verjährungsregelung. Vielmehr richtete sich die Verjährung von Erstattungsansprüchen der §§ 103 ff. BSHG nach § 113 SGB X. Diese Verjährungsvorschrift passte aber infolge einer Gesetzesänderung – unbeabsichtigt – nicht mehr auf die Erstattungsansprüche des BSHG, da es hier an der für den Verjährungsbeginn maßgeblichen Entscheidung des Erstattungspflichtigen über seine Leistungspflicht fehlt (BT-Drs. 15/1514 S. 69). § 111 greift insoweit die – auf die in Rede stehenden Erstattungsansprüche passende – Verjährungsregelung der Vorgängerfassung von § 113 SGB X auf (zur analogen Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Fristbeginn im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung – wie § 111 – auf Erstattungsansprüche nach §§ 103 ff. BSHG: LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 22.11.2007, L 7 SO 5078/06; a. A. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 28.8.2007, 1 L 59/05: Fristbeginn mit Kenntnis von allen den Erstattungsanspruch begründenden Umständen).

1 Allgemeines

 

Rz. 2

In § 111 ist die Verjährung der Erstattungsansprüche nach §§ 106 bis 108 geregelt. Der Erstattungsanspruch verjährt nach Abs. 1 in 4 Jahren, beginnend mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem er entstanden ist. Im Übrigen richtet sich die Verjährung – Fristverlängerung und Wirkung – nach den Vorschriften des BGB (Abs. 2).

Neben der Verjährung ist bei der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen die Ausschlussfrist aus § 111 SGB X zu beachten. Danach ist der Erstattungsanspruch ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens 12 Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wird, geltend macht.

2 Rechtspraxis

2.1 Fristbeginn (Abs. 1)

 

Rz. 3

Die Verjährungsfrist beginnt nach Abs. 1 mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. Maßgeblich ist insoweit, wann erstmals die tatbestandlichen Erstattungsvoraussetzungen der §§ 106 bis 108 erfüllt sind. Das ist der Zeitpunkt, in dem die Leistung bewilligt und auch tatsächlich gewährt worden ist (OVG Niedersachsen, Urteil v. 23.1.2003, 12 LC 527/02). Allein dieser objektive Zeitpunkt ist maßgeblich und nicht etwa die Kenntnis des Erstattungsberechtigten hiervon. Denn Abs. 1 stellt nur auf die Anspruchsentstehung ab und dem Wortlaut lässt sich nicht entnehmen, dass es auf die Kenntnis des Erstattungsberechtigten hiervon ankommt. Die Verjährungsfrist endet am 31.12. des 4. Folgejahres.

2.2 Fristverlängerung (Abs. 2)

 

Rz. 4

Wegen der Verlängerung der Verjährungsfrist durch Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn verweist Abs. 2 auf die Vorschriften des BGB. Im Einzelnen sind von Interesse:

  • § 203 BGB: Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen zwischen Gläubiger und Schuldner,
  • § 204 BGB: Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung, insbesondere gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs oder durch Aufrechnung,
  • § 205 BGB: Hemmung der Verjährung bei Leistungsverweigerungsrecht, insbesondere bei Stundung,
  • § 212 BGB: Neubeginn der Verjährung, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt, ferner, wenn eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird.

Folge der Hemmung ist nach § 209 BGB, dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird. Demgegenüber heißt Neubeginn der Verjährung nach § 212 BGB, dass die vierjährige Verjährungsfrist erneut beginnt.

2.3 Wirkung der Verjährung (Abs. 2)

 

Rz. 5

Auch wegen der Wirkung der Verjährung verweist Abs. 2 auf das BGB. Nach § 214 Abs. 1 BGB bewirkt die Verjährung, dass der Schuldner berechtigt ist, die Leistung zu verweigern. Bei der Verjährung handelt es sich also um eine Einrede, die nicht von Amts wegen zu beachten, sondern vom Erstattungspflichtigen – ermessensfehlerfrei – geltend zu machen ist (BSG, Urteil v. 29.7.2003, B 12 AL 1/02 R). Im Einzelfall kann ihm dies verwehrt sein, wenn ein Fall unzulässiger Rechtsausübung vorliegt, sich der Erstattungspflichtige also zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch setzt. Das ist beispielsweise anzunehmen, wenn der Erstattungspflichtige den Berechtigten von der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs abhält, weil er durch aktives Handeln den Eindruck vermittelt, er werde den Erstattungsanspruch erfüllen. Das gilt auch, wenn die beteiligten Träger einen Verzicht auf die Erhebung der Einrede der Verjährung vereinbaren. Die Verjährung kann zwar rechtsgeschäftlich nicht ausgeschlossen werden, der Verzicht bedeutet jedoch, dass eine Berufung auf die Verjährung treuwidrig und unwirksam ist (BGH, Urteil v. 4.11.1997, VI ZR 375/96; VG Meiningen, Urteil v. 22.2.2007, 8 K 171/03.Me).

 

Rz. 6

Unbeschadet der Frage der Verjährung eines Anspruchs ist die Verwirkung in den Blick zu nehmen, die im gerichtlichen Verfahren von Amts wegen zu beachten ist (vgl. W. Schellhorn, in: Schellhorn/Hohm/Scheider, 19. Aufl. (2015), S...

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