2.4.1 Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes/Jugendlichen (Abs. 3 Satz 1)

 

Rz. 19

Im Gegensatz zur gesetzlichen Amtsvormundschaft richtet sich die örtliche Zuständigkeit im Falle einer durch das Familiengericht bestellten Amtspflegschaft/Amtsvormundschaft nach dem g.A. des Kindes oder Jugendlichen. Das heißt, das Jugendamt ist für die Führung der bestellten Amtspflegschaft/Amtsvormundschaft örtlich zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche seinen Lebensmittelpunkt begründet (Abs. 3 Satz 1). Diese Regelung wird der Interessenlage des Kindes oder Jugendlichen am ehesten gerecht, denn i. d. R. geht der durch das Familiengericht bestellten Pflegschaft/Vormundschaft ein in die Rechte der Eltern eingreifender Beschluss des Familiengerichts (z. B. nach § 1666 BGB) voraus. Demzufolge steht hier die Vertretung der Kindesinteressen durch den bestellten Amtspfleger/Amtsvormund im Vordergrund, was die Anknüpfung der örtlichen Zuständigkeit an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes oder Jugendlichen mehr als sinnvoll erscheinen lässt.

 

Rz. 20

Besteht nach Beendigung einer Amtspflegschaft bzw. Beistandschaft und Aufenthaltswechsel des Kindes weiterhin Bedarf für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft (hier: zwecks Fortsetzung eines gemäß § 241 ZPO unterbrochenen Unterhaltsbetragsverfahrens), kann es aus Gründen des Kindeswohls gerechtfertigt sein, abweichend von der Regelung in § 87c Abs. 3 Satz 1 das bisher mit der Sache befasste Jugendamt als Pfleger zu bestellen (OLG Zweibrücken, Beschluss v. 17.8.2001, 3 W 171/01; vgl. hierzu auch OLG Brandenburg, Beschluss v. 17.2.2014, 10 UF 230/13).

 

Rz. 21

Der g.A. des Kindes oder Jugendlichen kann unter Umständen im Einzelfall auch in einer Einrichtung begründet werden. Einen Schutz der Einrichtungsorte, wie er z. B. in § 86a Abs. 2 bereits in der Zuständigkeitsregelung enthalten ist (siehe dazu auch § 86a Rz. 5), sieht § 87c nicht vor. Dieser Schutz der Einrichtungsorte kann allenfalls über die Kostenerstattungsbestimmungen, hier § 89e, im Wege der Kostenerstattung in Anspruch genommen werden.

 

Rz. 22

Die Anknüpfung an den g.A. des Kindes oder Jugendlichen lässt oftmals gleich 2 verschiedene (Bereichs)Jugendämter tätig werden, und zwar dann, wenn für das Kind oder den Jugendlichen über die bestellte Amtspflegschaft/Amtsvormundschaft hinaus gleichzeitig eine Hilfe zur Erziehung zu gewähren ist, bei der sich die örtliche Zuständigkeit in erster Linie nach dem g.A. der Eltern (§ 86 Abs. 1 Satz 1) richtet. Eine solche zweigeteilte Zuständigkeit ist im Hinblick auf die divergierende Funktion des Jugendamts einerseits als Amtspfleger/Amtsvormund und andererseits zugleich als Leistungsträger von Jugendhilfeleistungen eher zu favorisieren; allein schon, um möglichen Interessenkollisionen innerhalb desselben Jugendamtes vorzubeugen.

2.4.2 Hilfsweise Anknüpfung an den tatsächlichen Aufenthalt des Kindes/Jugendlichen (Abs. 3 Satz 2)

 

Rz. 23

Sofern das Kind oder der Jugendliche keinen g.A. hat (oder aber ein solcher nicht ermittelbar ist), ist nach Abs. 3 Satz 2 das Jugendamt örtlich zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche seinen tatsächlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Bestellung durch das Familiengericht hat.

2.4.3 Wechsel der Zuständigkeit auf Antrag beim Familiengericht (Abs. 3 Satz 3)

 

Rz. 24

Im Unterschied zur gesetzlichen Amtsvormundschaft findet ein Zuständigkeitswechsel bei der bestellten Amtspflegschaft/Amtsvormundschaft vom abgebenden Jugendamt zum annehmenden Jugendamt nicht unmittelbar (ohne Beteiligung des Familiengerichtes) statt, wenn das Kind oder der Jugendliche seinen g.A. wechselt. Hierfür setzt Abs. 3 Satz 3 einen – mit der Bitte um Entlassung aus der Pflegschaft/Vormundschaft versehenen – Antrag an das Familiengericht voraus. Denn die gerichtliche Bestellung beschränkt sich ausschließlich auf ein konkretes Jugendamt, nachdem das Familiengericht die dortigen örtlichen Gegebenheiten dahingehend geprüft hat, ob es unter Umständen nicht vorrangig einen Einzelpfleger/Einzelvormund bestellt. Insofern ist es mehr als konsequent, wenn vor jeder neuen Bestellung eine erneute, in diese Richtung gehende Geeignetheitsprüfung durch das Familiengericht selbst vorgenommen wird. Gleiches gilt im Übrigen für die Fälle, in denen das Kind oder der Jugendliche keinen g.A. hat und dessen Wohl einen Zuständigkeitswechsel erforderlich macht. Bereits der Formulierung "hat das Jugendamt" und dem Regelungsgehalt des Abs. 3 Satz 3 (Sicherstellung des Kindeswohls) nach wird deutlich, dass das (abgebende) Jugendamt weder einen Beurteilungs- noch einen Ermessensspielraum für sich in Anspruch nehmen kann, sondern vielmehr in der Verpflichtung steht, den Antrag auf Entlassung beim Familiengericht allein schon deshalb umgehend stellen zu müssen, weil das Kindeswohl dies erfordert. Einen damit gleichzeitig verbundenen Aufenthaltswechsel des Kindes oder Jugendlichen setzt die Vorschrift nicht voraus.

 

Rz. 25

Über den Entlassungsantrag hat das Familiengericht zu entscheiden. Dabei hat das Gericht einen Entscheidungsspielraum, innerhalb dessen ausschließlich das Wohl des Kindes im Vordergrund stehen muss (§ 1697a, § 1889 Abs. 2 Satz 1 und § 1887 Abs. 1 BGB). Bei der Entlassung eines Vormunds unter Bestellung eines neuen Vo...

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