0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

§ 86 a wurde im Zuge des 1. SGB VIII-ÄndG v. 16.2.1993 (BGBl. I S. 239) zum 1.4.1993 neu gefasst und löst damit die bisher geltende Fassung des § 86 Abs. 5 ab. Mit der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt (g.A.) des jungen Volljährigen "vor Beginn der Leistung" wird die zu Anfang bestehende örtliche Zuständigkeit eines örtlichen Trägers bis zur Beendigung der Leistung "festgeschrieben". Darüber hinaus ist eine Regelung zum Ausschluss der Begründung eines g.A. in einer Einrichtung aufgenommen worden. Das 2. SGB VIII-ÄndG v. 15.12.1995 (BGBl. I S. 1775) hat in § 86 a Abs. 4 mit Wirkung zum 1.1.1996 einen 3. Satz angefügt und damit Abs. 4 um eine weitere Fallvariante ausgedehnt (vgl. BT-Drs. 13/3082 S. 6). § 86 a gilt seit dem 1.1.2012 i. d. F. der Bekanntmachung v. 11.9.2012 (BGBl. I S. 2022).

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift regelt die örtliche Zuständigkeit für Leistungen an junge Volljährige (zur Begriffsbestimmung des jungen Volljährigen siehe § 7 Abs. 1 Nr. 3). Im Unterschied zu § 86 ist Anknüpfungspunkt in § 86 a der g.A. des jungen Volljährigen, den dieser im Zeitpunkt vor Beginn der Leistung hatte (Abs. 1). Der Umfang der Leistung beschränkt sich nicht ausschließlich auf die Gewährung einer Hilfe für junge Volljährige nach § 41, sondern schließt alle Leistungen i. S. d. § 2 Abs. 2 mit ein, die ggf. auch gegenüber diesem Personenkreis erbracht werden könnten, wie beispielsweise Leistungen der Jugendarbeit (§ 11), der Jugendsozialarbeit (§ 13), des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes (§ 14), der Förderung der Erziehung in der Familie (§ 16) sowie der Unterstützung bei notwendiger Unterbringung zur Erfüllung der Schulpflicht (§ 21). Soweit sich der junge Volljährige zum Zeitpunkt der Entstehung des Hilfebedarfs in einer sog. "geschützten" Einrichtung aufhält, wird nicht der Jugendhilfeträger örtlich zuständig, in dessen Bereich eine solche Einrichtung liegt. Vielmehr ist in diesen Fällen auf den g.A. vor Aufnahme in diese Einrichtung abzustellen (Abs. 2). Hatte der junge Volljährige vor Beginn der Leistung keinen g.A., sieht Abs. 3 eine ersatzweise Anknüpfung an den tatsächlichen Aufenthalt vor. In bestimmten Fällen bleibt der Träger, dessen örtliche Zuständigkeit bereits vor Eintritt der Volljährigkeit nach § 86, § 86 b gegeben war, auch für die Gewährung von Leistungen über die Volljährigkeit hinaus zuständig (Abs. 4).

2 Rechtspraxis

2.1 Gewöhnlicher Aufenthalt des jungen Volljährigen (Abs. 1)

2.1.1 Vor Beginn der Leistung

 

Rz. 3

Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit im Falle der Leistungsgewährung an junge Volljährige ist deren g.A. (zur Begriffsbestimmung vgl. Komm. zu § 86) vor Beginn der Leistung (zum Begriff "vor Beginn der Leistung" vgl. Ausführungen zu § 86). Ausschlaggebend ist hier also der Lebensmittelpunkt des jungen Volljährigen, den er unmittelbar vor Leistungsbeginn hatte.

2.1.2 Prinzip der fortgesetzten Zuständigkeit

 

Rz. 4

Durch die Anknüpfung an den g.A. vor Beginn der Leistung scheidet ein späterer Zuständigkeitswechsel, selbst wenn der junge Volljährige seinen g.A. in den Bereich eines anderen als den bei Leistungsbeginn zuständigen Trägers verlegen sollte, aus. Dieses Prinzip der fortgesetzten Zuständigkeit wird auch nicht dadurch durchbrochen, dass unter Umständen im weiteren Verlauf der Gewährung einer Hilfe für junge Volljährige nach § 41 eine Änderung der Hilfeform (z. B. Umwandlung einer als Volljährigenhilfe ausgestalteten Vollzeitpflege nach § 33 in ein Betreutes Wohnen nach § 34) notwendig wird. In diesen Fällen ist an den Leistungskatalog in § 2 Abs. 2 anzuknüpfen, wonach der Begriff "Leistungen" mit den darin aufgeführten verschiedenen Hilfemaßnahmen definiert wird, ganz gleich, in welcher Form sie bedarfsorientiert ausgestaltet werden. Unter der "Leistung" sind demnach alle – je nach Bedarfslage auch austauschbaren – Hilfemaßnahmen (Hilfeformen) zu verstehen, die auf die Deckung des für die Hilfe für junge Volljährige spezifischen Hilfebedarfs zielen (vgl. auch BVerwG, Urteil v. 14.11.2002, 5 C 56.01, NDV-RD 03/2003 S. 50). Dafür spricht zudem der Grundsatz der "Kontinuität des Hilfeprozesses", um – für den bei diesem Personenkreis nicht untypischen Fall einer pädagogisch angezeigten Änderung der Hilfeform während des laufenden Hilfeprozesses – keinen Zuständigkeitswechsel eintreten zu lassen. Durch diese Regelung werden darüber hinaus aufwändige Kostenerstattungsverfahren vermieden.

2.2 Schutz der Einrichtungsorte (Abs. 2)

2.2.1 Normzweck

 

Rz. 5

Die Regelung des § 86a Abs. 2 stellt sicher, kommunale Gebietskörperschaften, in deren Zuständigkeitsbereich sich Einrichtungen oder sonstige Wohnformen befinden, mit der Möglichkeit, dort im Hinblick auf eine längere Verweildauer einen g.A. zu begründen, nicht mit ungerechtfertigt überproportionalen Kosten zu belasten. Im Gegensatz zu den Kostenerstattungsnormen, hier insbesondere § 89 e, die einen Kostenausgleich (erst im Nachhinein) auf der reinen Finanzebene schaffen, hat der Gesetzgeber bereits bei der örtlichen Zuständigkeit, also vor Leistungsaufnahme, eine Regelung geschaffen, die den Aufenthalt in einer der genannten Einrichtungen oder sonstigen Wohnformen von vornherein als Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigk...

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