Rz. 13

Als Ausnahme sieht Abs. 3 vor, dass bei unvorhersehbaren wesentlichen Veränderungen der Annahmen, die der Entgeltvereinbarung zugrunde lagen, die Entgelte im laufenden Vereinbarungszeitraum neu zu verhandeln sind. Durch die unbestimmten Rechtsbegriffe "unvertretbar" und "wesentlich" ist diese Ausnahme jedoch als Abweichung vom Grundsatz eng begrenzt. Die normierten Voraussetzungen liegen jedoch nur in den seltensten Fällen vor. Positive Anwendungsfälle sind (bisher) nicht dokumentiert (Gerlach, ZKJ 2019 S. 57, 58). Damit werden der Sache nach die Folgen des Wegfalls oder der Änderung der Geschäftsgrundlage geregelt. Im Übrigen gilt § 59 SGB X (BT-Drs. 13/10330, S. 18), der eine Kündigung aus überwiegenden und wesentlichen Gründen ermöglicht. Vor einer etwaigen Kündigung sind nach Auffassung des Hess VGH (Beschluss v. 19.3.1990, 9 TG 147/89) die Anpassungsmöglichkeiten an die geänderten Verhältnisse (hier geringere Belegungszahlen als erwartet) vorher auszuschöpfen. Die Kündigung einer bestehenden Pflegesatzvereinbarung, bei der der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht beachtet und die vorrangigen Gestaltungsmöglichkeiten nicht genutzt wurden, stellt nach Auffassung des OLG Celle (Urteil v. 15.11.1988, 16 U 170/87) ein hoheitliches Handeln i. S. d. Amtshaftungsregelungen dar und kann einen Amtshaftungsanspruch begründen.

 

Rz. 14

Zweifelhaft ist, was unter unvorhersehbaren Umständen i. S. d. Abs. 3 zu verstehen ist. Auszugehen ist dafür von der gesetzlichen Wertung des § 78b, die festlegt, welche Umstände in die Risikosphäre des Einrichtungsträgers gehören, also insbesondere das allgemeine Betriebs- und Belegungsrisiko (siehe hierzu die Kommentierung zu § 78b). Abweichungen im Ausmaß der Belegung sind daher kein Grund für Nachverhandlungen. Insoweit ist die gegenteilige Auffassung des Hess. VGH (Beschluss v. 19.3.1990, 9 TG 147/89), die vor Geltung des § 78b ergangen ist, überholt. Denkbare "unvorhersehbare und wesentliche" Veränderungen sind aber z. B. nicht versicherte Beschädigungen der Einrichtung, für deren Behebung besondere Investitionen notwendig sind. Ferner kommen Tariferhöhungen als Grund für Neuverhandlungen in Betracht. Das gilt allerdings nur, wenn der entsprechende Tarif in der Entgeltvereinbarung ausdrücklich als Kalkulationsgrundlage herangezogen wurde und seine Erhöhung nicht absehbar war. Dagegen fallen planbare Ereignisse, wie eine Änderung des Einrichtungszwecks, der Ausbau oder Umbau der Einrichtung und die Änderung der Personalstruktur schon deswegen nicht unter diese Regelung, weil sie nicht als "unvorhersehbar" angesehen werden können. Auch bei zulässigen Zwischenvereinbarungen gilt im Übrigen nach Abs. 3 Satz 2, dass eine Rückwirkung der Vereinbarungen nicht zulässig ist. Eine ggf. vorher bereits eingetretene Belastung darf daher nicht auf den Rest der Wirtschaftsperiode kostenmäßig aufgeteilt werden. Im Übrigen kann sich auch der Träger der öffentlichen Jugendhilfe auf die Ausnahmeregelung berufen, wenn in der ursprünglichen Kalkulation Kosten enthalten sind, die tatsächlich nicht anfallen werden (z. B. weil geplante Investitionen nicht getätigt werden). Davon zu trennen ist die Frage, ob eine bislang gewährte Subvention gemäß § 74 ggf. im Wege der Auslaufförderung gleitend abgeschmolzen werden muss, um dem betroffenen Träger aus Gründen des Vertrauensschutzes die erforderliche Zeit zu geben, sich wirtschaftlich auf die neue Lage einzustellen.

 

Rz. 15

Einzelfälle: Ob ein Träger der öffentlichen Jugendhilfe bezogen auf die Kosten für WLAN gegen seinen Willen zur Anpassung der Entgeltvereinbarung verpflichtet ist, ist davon abhängig, wie § 78d Abs. 3 Satz 1 ausgelegt werden kann. Ob die Kosten für WLAN eine unvorhergesehene wesentliche Änderung darstellt, ist fraglich und im Ergebnis abzulehnen (DIJuF-Rechtsgutachten v. 21.12.2020, SN_2020_1345 Eh, JAmt 2021 S. 89).

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