2.3.1 Umfang der Beratung

 

Rz. 15

Das Jugendamt soll den Elternteil zusammen mit der Belehrung beraten (§ 51 Abs. 2 Satz 1). Die frühere Fassung, die zwingend eine Beratung vorsah, wurde durch eine Soll-Bestimmung ersetzt. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Kinder, die zur Adoption vorgesehen sind, häufig bereits zuvor nicht mehr bei den Eltern in der Herkunftsfamilie, sondern in einer Einrichtung oder in einer Pflegefamilie leben. Die Beratung würde in den Fällen, in denen das Kind bereits in der Pflegefamilie lebt, in der es durch Adoption aufgenommen werden soll, leerlaufen (Wiesner/Wapler/Wapler, 6. Aufl. 2022, SGB VIII, § 51 Rz. 35).

 

Rz. 15a

Die Soll-Vorschrift besagt, dass im Regelfall beraten werden soll, wobei das Jugendamt eine Ermessensentscheidung darüber trifft, ob eine Beratung überhaupt durchgeführt werden (Entschließungsermessen) und welche Beratungsgegenstände sie enthalten soll (Auswahlermessen). Gegenstand der Beratung sind Hilfen, die die Erziehung des Kindes in der eigenen Familie ermöglichen sollen. Durch die Hilfen müsste zunächst und vor allem ein verantwortliches Verhalten des Elternteils erreicht werden, der durch sein bisheriges Verhalten gezeigt hat, dass ihm das Kind gleichgültig ist. Ferner müsste durch die Hilfen erreicht werden, dass das Unterbleiben der Annahme dem Kind nicht zu unverhältnismäßigem Nachteil gereicht. Schon die Formulierung dieser Anforderungen macht deutlich, dass vielfach eine Beratung – jedenfalls in diesem fortgeschrittenen Stadium – kaum sinnvoll erscheint. Als Hilfen kommen die Erziehungsbeistandschaft (§ 30) oder sozialpädagogische Familienhilfe (§ 31) in Betracht. Beratungshilfen nach §§ 16 f. dürften meist zu kurz greifen. Das Gesetz schreibt keine besondere Form der Beratung vor. Daher kann das erste Hilfsangebot mündlich oder schriftlich erfolgen. Zeigt sich der Elternteil zu einer Beratung bereit, so dürfte nach der Zweckrichtung am ehesten ein persönliches Beratungsgespräch in Betracht kommen.

2.3.2 Wegfall der Beratungspflicht

 

Rz. 16

Absatz 2 Satz 2 umschreibt exemplarisch, nicht abschließend eine Situation, in der es einer Beratung des Elternteils nicht (mehr) bedarf. Es handelt sich um die Voraussetzungen, die in § 1632 Abs. 4 BGB deckungsgleich formuliert sind und die eine Verbleibeanordnung durch das Familiengericht rechtfertigen. Die gegenüber dem Wortlaut der letztgenannten Vorschrift präzisere Fassung des § 51 Abs. 2 Satz 2 geht auf den Leitsatz des Beschlusses zurück, in dem das BVerfG die Verbleibeanordnung als verfassungsmäßig eingestuft hat (BVerfG, Beschluss v. 17.10.1984, 1 BvR 284/84). Voraussetzung ist, dass das Kind seit längerer Zeit bei den Annehmenden in Familienpflege lebt und bei der Rückführung eine Gefährdung des Kindeswohls zu befürchten ist. Durch das Wort "insbesondere" wird deutlich, dass es auch in anderen Fällen der Beratung nicht bedarf. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Elternteil das Angebot einer Beratung nicht annimmt und dies ausdrücklich kundgibt, oder wenn er auf die Einladung nicht reagiert oder Termine nicht wahrnimmt (vgl. hierzu auch BayObLG, Beschluss v. 25.11.1996, 1Z BR 47/96). Denn damit dokumentiert er erneut seine Gleichgültigkeit und die mangelnde Bereitschaft, sein Verhalten ändern zu wollen.

 

Rz. 17

Auch die Beratung muss dokumentiert und dem Familiengericht im Ersetzungsverfahren mitgeteilt werden (§ 51 Abs. 2 Satz 3). Sowohl die angebotenen oder erbrachten Leistungen als auch die Ermessenserwägungen, die dazu geführt haben, dass vom Angebot oder von der Hilfegewährung abgesehen wurde, sind dem Familiengericht mitzuteilen. Die Mitteilung an das Familiengericht kann mit der Mitwirkungshandlung des Jugendamtes nach § 50 Abs. 1 Satz 2 und der fachlichen Äußerung der Adoptionsvermittlungsstelle des Jugendamtes nach § 189 FamFG verbunden werden.

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