Rz. 4

Die Mitwirkungspflicht des Jugendamtes in den in Abs. 1 Satz 2 enumerativ genannten Verfahren korrespondiert mit der Pflicht des Familiengerichts zur Anhörung des Jugendamtes. Dabei handelt es sich im Einzelnen um Verfahren in

 

Rz. 4a

  • Kindschaftssachen (§ 151 FamFG)

    Das sind solche Verfahren, die

    • die elterliche Sorge, also die Personensorge und Vermögenssorge (§ 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB),
    • das Umgangsrecht,
    • die Kindesherausgabe,
    • die Vormundschaft,
    • die Pflegschaft oder die gerichtliche Bestellung eines sonstigen Vertreters für einen Minderjährigen oder für eine Leibesfrucht,
    • die Genehmigung der freiheitsentziehenden (zivilrechtlichen) Unterbringung eines Minderjährigen (§§ 1631b, 1800 und 1915 BGB),
    • die öffentlich-rechtliche Anordnung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Minderjährigen nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker,
    • die Aufgaben nach dem Jugendgerichtsgesetz,

    betreffen. Gemäß § 162 Abs. 1 FamFG hat das Familiengericht in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, das Jugendamt anzuhören. In Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB ist das Jugendamt zu beteiligen (§ 162 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Im Übrigen ist das Jugendamt auf seinen Antrag hin zu beteiligen (§ 162 Abs. 2 Satz 2 FamFG).

 

Rz. 4b

  • Abstammungssachen (§ 169 FamFG)

    Das sind Verfahren, in denen

    • das Bestehen oder Nichtbestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses festgestellt wird, insbesondere die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Anerkennung der Vaterschaft,
    • die Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und Anordnung der Duldung einer Probeentnahme ersetzt wird,
    • es um die Einsichtnahme in ein Abstammungsgutachten oder der Aushändigung einer Abschrift davon oder um Anfechtung einer Vaterschaft geht.

    In diesen Verfahren ist das Jugendamt im Fall einer Vaterschaftsanfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 4 BGB anzuhören, wenn die Anfechtung durch den gesetzlichen Vertreter erfolgt. Im Übrigen kann das Gericht das Jugendamt anhören, wenn ein Beteiligter minderjährig ist.

  • Adoptionssachen (§ 186 FamFG)

    Diese Verfahren befassen sich mit

    • der Annahme als Kind,
    • der Ersetzung der Einwilligung zur Annahme als Kind,
    • der Aufhebung des Annahmeverhältnisses,
    • der Befreiung vom Eheverbot des § 1308 Abs. 1 BGB.

    In diesen Verfahren ist gemäß § 188 Abs. 3 FamFG das Jugendamt und das Landesjugendamt auf ihren Antrag hin zu beteiligen. Vor einer Minderjährigenadoption ist gemäß § 189 FamFG eine fachliche Äußerung des Jugendamtes einzuholen, falls keine Adoptionsvermittlungsstelle tätig geworden ist. Darüber hinaus ist das Jugendamt gemäß § 194 Abs. 1 Satz 1 FamFG vor der Adoption eines Minderjährigen jedenfalls anzuhören, wenn es keine fachliche Stellungnahme abgegeben hat. Wenn ein Adoptionsbewerber oder das Kind eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt oder staatenlos ist oder wenn ein Adoptionsbewerber oder das Kind seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes hat, ist gemäß § 195 Abs. 1 Satz 1 FamFG die zentrale Adoptionsstelle des Landesjugendamtes anzuhören.

 

Rz. 4c

  • Ehewohnungssachen (§ 200 FamFG)

    In diesen Verfahren wird

    • die Überlassung der Ehewohnung während des Getrenntlebens der Ehegatten und die Zuweisung der Ehewohnung für die Zeit nach der Scheidung behandelt,
    • die Verteilung der Haushaltsgegenstände im Falle des Getrenntlebens bzw. der Scheidung der Ehegatten behandelt. Das Familiengericht soll das Jugendamt in Ehewohnungssachen anhören, wenn Kinder im Haushalt der Ehegatten leben. Das Jugendamt ist auf seinen Antrag hin zu beteiligen, wenn Kinder im Haushalt der Ehegatten leben.

    In Ehewohnungssachen soll das Gericht gemäß § 205 Abs. 1 Satz 1 FamFG das Jugendamt anhören, wenn Kinder im Haushalt der Ehegatten leben. Auf Antrag des Jugendamtes hin ist dieses gemäß § 204 Abs. 2 FamFG in Ehewohnungssachen zu beteiligen, wenn Kinder im Haushalt der Ehegatten leben.

  • Gewaltschutzsachen (§ 210 FamFG)

    Dabei handelt es sich um Verfahren

    • im Zuge häuslicher Gewalt nach §§ 1 und 2 des Gewaltschutzgesetzes.

    Auch hier gilt: Das Familiengericht soll das Jugendamt anhören, wenn Kinder in dem Haushalt leben (§ 213 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Es hat das Jugendamt auf dessen Antrag hin zu beteiligen, wenn ein Kind im Haushalt lebt (§ 212 FamFG).

 

Rz. 4d

Inhaltlich hat das Jugendamt die Funktion eines Informationsgebers und zugleich eines fachlichen Beraters des Gerichts. Die fehlende Anhörung des Jugendamtes begründet einen Verfahrensmangel, der zur Aufhebung der gerichtlichen Entscheidung und zur Zurückverweisung durch das Beschwerdegericht führt. Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht allerdings einstweilige Anordnungen schon vor Anhörung des Jugendamts treffen. Die Anhörung muss jedoch in einem solchen Fall unverzüglich (d. h. ohne schuldhaftes Zögern, § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) nachgeholt werden (§ 162 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Das Jugendamt ist zu hören; dies begründet keine Weisungsbefugnis des Gerichts. Das Gericht ist nicht befugt, dem Jugendamt bestimmte Ermittlungen oder bestimmte ...

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