0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Das JWG unterstellte sonstige Wohnformen nicht ausdrücklich der Heimaufsicht. In der Praxis wurde dies aber regelmäßig so gehandhabt. Diese Praxis nahm der Gesetzgeber mit der Neuregelung in das SGB VIII auf. Zunächst bestimmte er in § 45 Abs. 4, dass für den Betrieb einer sonstigen Wohnform die Regelungen in § 45 Abs. 1 bis 3 entsprechend gelten. Durch das 1. SGB VIII-ÄndG v. 16.2.1993 (BGBl. I S. 239) wurde dies mit Wirkung zum 1.4.1993 in § 48a neu niedergelegt, um im Wege der systematischen Stellung zu verdeutlichen, dass für sonstige betreute Wohnformen auch die §§ 46 bis 48 gelten (BT-Drs. 12/2866 S. 18).

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Abs. 1 erklärt die Betriebsaufsicht aus §§ 45 bis 48 für sonstige Wohnformen für entsprechend anwendbar. Dies besagt vor allem, dass auch sonstige Wohnformen einer Betriebserlaubnis bedürfen. Eine gesonderte Betriebserlaubnis ist aber nicht erforderlich, wenn die sonstige Wohnform Teil einer Einrichtung ist. Hierbei ist die Fiktion aus Abs. 2 zu beachten, wonach die sonstige Wohnform als Teil einer Einrichtung gilt, wenn sie mit dieser einen organisatorischen Verbund bildet. Regelungen zu sonstigen Wohnformen enthalten im Übrigen § 13 Abs. 3, § 19 Abs. 1, § 21, § 34, § 35a Abs. 2 Nr. 4 und § 42 Abs. 1 Satz 2.

2 Rechtspraxis

2.1 Sonstige betreute Wohnform (Abs. 1)

 

Rz. 3

Unter einer sonstigen Wohnform versteht man eine Unterbringungsmöglichkeit, die nicht in einer Einrichtung i. S. d. § 45 (z. B. einem Heim) gelegen ist. Sie muss einen Orts- und Gebäudebezug haben. In der Regel handelt es sich um eine separate Wohnung, die ein Träger angemietet hat. Ferner müssen sich dort Minderjährige tagsüber und regelmäßig auch über Nacht aufhalten, also dort wohnen, und zwar weitgehend selbstbestimmt und -organisiert (Lakies, NDV 1991 S. 226, 227). Denn die Unterbringung zielt darauf, dem Minderjährigen ein Angebot zur Verselbständigung zu machen, weswegen Betreuungskräfte extern untergebracht sein müssen. Nicht entscheidend ist aber, in welchem Umfang der Minderjährige betreut wird. Nach dem Gesetzeswortlaut reicht es aus, dass ihm Unterkunft, also in erster Linie ein Ort zum Wohnen gewährt wird. Sonstige Wohnformen sind beispielsweise Jugendwohngemeinschaften und das betreute Einzelwohnen.

2.2 Entsprechungsklausel (Abs. 1)

 

Rz. 4

Für sonstige Wohnformen gelten §§ 45 bis 48 entsprechend. Die sonstige Wohnform bedarf demnach einer Betriebserlaubnis, die zu erteilen ist, wenn das Wohl der Minderjährigen in der Wohnform gewährleistet ist. Die Wohnform muss also unter Berücksichtigung ihres Zwecks zur Aufnahme der Minderjährigen insbesondere in personeller, fachlicher, räumlicher und sachlicher Hinsicht geeignet sein. Bei dieser Prüfung ist allerdings zu berücksichtigen, dass die sonstige Wohnform weitgehend vom Gedanken der Selbstbestimmung geprägt ist. Deswegen verbietet sich eine gleichförmige Übertragung der Maßstäbe für die Einrichtungsaufsicht, was auch hinsichtlich der übrigen Aufsichtsmaßnahmen gilt (Lakies, NDV 1991 S. 226, 227).

In sachlicher Hinsicht ist nach § 85 Abs. 2 Nr. 6, Abs. 4 und 5 das Landesjugendamt bzw. die nach Landesrecht bestimmte Behörde zuständig. In örtlicher Hinsicht ist nach § 87a Abs. 2 entscheidend, in wessen Zuständigkeitsbereich die sonstige Wohnform gelegen ist.

2.3 Teil einer Einrichtung (Abs. 2)

 

Rz. 5

Die sonstige Wohnform bedarf keiner gesonderten Betriebserlaubnis, wenn sie Teil einer Einrichtung ist. Nach der Rechtsprechung sind aus der Einrichtung ausgelagerte Räumlichkeiten Teil der Einrichtung, wenn sie der Rechts- und Organisationssphäre eines Einrichtungsträgers so zugeordnet sind, dass sie Teil eines Gesamtkonzeptes sind, was z. B. auf eine Außenwohngruppe zutrifft (BVerwG, Urteil v. 24.2.1994, 5 C 42.91, FEVS 45 S. 52; VG Potsdam, Urteil v. 17.8.2004, 11 K 6462/00). Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hat die Einrichtungsfiktion in Abs. 2 vor allem klarstellende Bedeutung. Sie besagt, dass die sonstige Wohnform als Teil der Einrichtung gilt, wenn sie mit dieser einen organisatorischen Verbund bildet. Sie greift immer dann, wenn eine gesonderte Betriebserlaubnis für die sonstige Wohnform mit Blick auf den organisatorischen Verbund nicht zweckmäßig erscheint, weil die Frage der Kindswohlgewährleistung einheitlich für die gesamte Einrichtung zu beantworten ist.

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