Rz. 14

Die zentrale Norm des § 27 Abs. 1 sieht vor, dass der Personensorgeberechtigte bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung) hat, wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Abs. 1 beinhaltet daher zunächst die Legaldefinition für den Begriff Hilfe zur Erziehung. Diese Norm ist als subjektives Recht ausgestaltet und verschafft dem Personensorgeberechtigten einen Anspruch. Die Leistung steht daher nicht im Ermessen der Behörde; es besteht kein Entschließungsermessen (zum insoweit ebenfalls nicht bestehenden Auswahlermessen vgl. Rz. 28).

2.1.1 Anspruchsinhaber

2.1.1.1 Personensorgeberechtigte

 

Rz. 15

Anspruchsinhaber der Hilfe ist nach Abs. 1 ausdrücklich der Personensorgeberechtigte; also der Inhaber der Personensorge über das Kind (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 15.1.2020, 12 E 656/19). Anspruch auf Pflegegeld kann daher auch die Pflegemutter haben, wenn sie im Pflegezeitraum personensorgeberechtigt für das Pflegekind war (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 3.3.2023, 12 E 97/22). Personensorgeberechtigter ist gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 5, wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Personensorge zusteht. Die Pflicht und das Recht der elterlichen Sorge (§ 1626 BGB) umfasst gemäß § 1626 Abs. 1 Satz 2, 1. Variante die Personensorge und damit gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB die Vertretung des Kindes. Die zur elterlichen Sorge gehörende Personensorge umfasst gemäß § 1631 Abs. 1 BGB insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen und zu beaufsichtigen. Außerdem umfasst die Personensorge nach § 1631 Abs. 1 BGB auch das elterliche Aufenthaltsbestimmungsrecht. Personensorgeberechtigte sind daher regelmäßig die leiblichen Eltern. Ist den leiblichen Eltern jedoch die elterliche Sorge familiengerichtlich komplett oder teilweise entzogen und auf einen Vormund bzw. einen Pfleger übertragen, so steht das Recht auf Hilfe nicht mehr den Eltern, sondern dem Vormund bzw. dem Pfleger zu, die dann Personensorgeberechtigte sind. Inhaber des Anspruchs auf Hilfen zur Erziehung gemäß §§ 27 ff. ist daher derjenige nicht, der nicht berechtigt i. S. v. § 27 Abs. 1 ist, weil ihm die elterliche Sorge teilweise entzogen wurde (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 25.6.2020, 12 E 1099/19; zur Auswirkung eines Sorgerechtsentzugs auch auf das Antragsrecht für die Hilfe nach § 19; vgl. auch: VG Minden, Beschluss v. 17.4.2020, 6 L 118/20 Rz. 13, 18). Der Personensorgeberechtigte ist dann nicht mehr Anspruchsinhaber der Hilfe zur Erziehung nach §§ 27 ff. (zutreffend VG Göttingen, Urteil v. 24.8.2023, 2 A 107/22). Das Recht, Hilfe zur Erziehung zu beantragen, ist ein Teilbereich der Personensorge. Ein Sorgerechtsentzug nach § 1666 BGB und § 1666a BGB unterliegt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Weiter kann u. a. gemäß § 1630 Abs. 3 BGB das Familiengericht auch dann, wenn das Kind sich für längere Zeit in einer Familienpflege befindet, auf Antrag der Eltern oder der Pflegeperson Angelegenheiten der elterlichen Sorge auf die Pflegeperson übertragen; Übertragung der elterlichen Sorge auf die Pflegeperson. Vor einem kompletten Sorgerechtsentzug hat das Familiengericht zu prüfen, ob nicht ein teilweiser Entzug der wichtigsten Einzelrechte ausreichend ist. Wurde das Recht, Hilfe zur Erziehung zu beantragen, entzogen und auf einen Pfleger übertragen, so steht das Antragsrecht auf Hilfe dem Pfleger und nicht mehr den Eltern zu. Neben den familienrechtlichen Regelungen der §§ 1626 ff. BGB wird dies auch durch die Begriffsbestimmung in § 7 Abs. 1 Nr. 5 klargestellt.

 

Rz. 16

Teilweise wird vertreten, lediglich die Übertragung des Rechtes auf Inanspruchnahme öffentlicher Hilfen auf einen Pfleger sei nicht ausreichend für eine Antragsberechtigung. Als Minimum seien das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht, Hilfe zur Erziehung zu beantragen und das Recht, an Hilfeplänen teilzunehmen, zu übertragen, andernfalls sei ein einheitliches Handeln nicht sichergestellt (VG Düsseldorf, Urteil v. 28.7.2003, 19 K 8606/99, mit Verweis auf Wiesner, vor § 27 Rz. 41). Nach hier vertretener Auffassung ist dies jedoch vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerwG v. 21.6.2001 (5 C 6.00) nicht vertretbar, wobei die Sicherstellung einer Fremdunterbringung häufig den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechtes sowie weiterer Teilbereiche der elterlichen Sorge verlangen wird. Das BVerwG führt aus, dass der Personensorgeberechtigte im Rahmen seiner Erziehungsverantwortung selbst über die Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung entscheide, solange insoweit nicht durch das Familiengericht in das Elternrecht eingegriffen werde. Er könne von diesem Recht Gebrauch machen, müsse dies jedoch nicht. Es komme darauf an, ob "für den hier relevanten Sorgerechtsbereich, das Recht auf Inanspruchnahme öffentlicher Jugendhilfe (§ 27)" ein Rechtsentzug vorliegt. Das Jugendamt müsse daher ggf...

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