Rz. 93

Für die Ausübung alleiniger Sorge bestehen nicht die Abgrenzungsprobleme, wie sie in § 1687 Abs. 1 Satz 1 bis Satz 3 BGB geregelt sind. Befindet sich das Kind mit Einwilligung des Sorgeberechtigten oder aufgrund gerichtlicher Entscheidung bei dem anderen Elternteil, gelten nach § 1687a BGB die Regelungen des § 1687 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 BGB entsprechend.

 

Rz. 94

Zusätzlich regeln § 1687b BGB und § 9 Abs. 1 bis Abs. 4 LPartG das sog. kleine Sorgerecht. Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner des die elterliche Sorge allein wahrnehmenden Elternteils hat im Einverständnis mit diesem die Befugnis zur Mitentscheidung in Angelegenheiten des alltäglichen Lebens. Zudem kann er bei Gefahr in Verzug alle Rechtshandlungen vornehmen, die zum Wohl des Kindes erforderlich sind. Darin liegt nach der Rechtsprechung des BVerfG kein Eingriff in das nach Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Elternrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils. Denn die Ausübung elterlicher Verantwortung umfasst auch die Entscheidung, wer Kontakt mit dem Kind hat und wem durch die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen Einfluss auf die Erziehung des Kindes eingeräumt wird. Diese Kompetenz wird einem Elternteil nicht durch das sog. kleine Sorgerecht, sondern mit der Zuweisung der alleinigen elterlichen Sorge auf den anderen Elternteil genommen (BVerfG, Urteil v. 17. 7.2002, 1 BvF 1/01 und 2/01, dazu kritisch Kanther, NJW 2003 S. 797, 798). Dem ist zuzustimmen. Ebenso eindeutig ist aber auch Tendenzen entgegenzutreten, die eine Aufhebung gemeinsamer Sorge befürworten, um § 1687b BGB und § 9 Abs. 1 bis Abs. 4 LPartG anwenden zu können (vgl. Motzer, FamRZ 2001 S. 1034, 1039). Denn die Angelegenheiten des alltäglichen Lebens sowie eine Notvertretungskompetenz stehen ohnehin dem Elternteil alleine zu, in dessen Obhut sich das Kind befindet. Unabhängig von einem kleinen Sorgerecht kann er deshalb seinen Ehegatten, seinen eingetragenen Lebenspartner, Eltern, Freunde oder sonstige Personen ermächtigen, alltägliche Angelegenheiten des Kindes zu besorgen oder im Notfall tätig zu werden (Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 9 LPartG Rz. 1). Fazit: § 1687 b BGB und § 9 Abs. 1 bis 4 LPartG sind rein ideologisch geprägten Ursprungs und ohne tatsächliche Relevanz.

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