Rz. 8

Unter "sozialer Benachteiligung" versteht man eine – aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe – bedingte mittelbare oder unmittelbare Zurücksetzung von Menschen im Wettbewerb um den Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen wie z. B. Bildung, Ausbildung und Einkommen (vgl. Nonninger, in: LPK-SGB VIII, § 13 Rz. 8). Dies ist insbesondere bei jungen Menschen aus sozialen Randgruppen oder aus Familien mit sozialen Problemen und erschwerten wirtschaftlichen Lebensbedingungen gegeben. Ist in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit den Eltern die finanzielle Grundlage für eine unabhängige, geregelte Lebensführung auf einem durchschnittlichen gesellschaftlichen Niveau entfallen, ist die schulische und berufliche Perspektive für Kinder in der Regel besonders schwierig.

Von immer größerer Bedeutung für die soziale Entwicklung und damit Indiz für soziale Benachteiligungen ist nicht nur der Wohnort innerhalb der Ortschaft oder Stadt, sondern zunehmend die Strukturstärke der Region, in der der junge Mensch aufwächst: Abwanderung (wie in einigen östlichen Bundesländern) und hohe Arbeitslosigkeit in strukturschwachen Regionen bedeuten geringere Zukunftsaussichten für junge Menschen.

 

Rz. 9

Fraglich ist, ob Mädchen und junge Frauen aufgrund ihres Geschlechts auch im 21. Jahrhundert noch als sozial benachteiligt gelten müssen. Grundsätzlich stehen Mädchen und jungen Frauen die gleichen Schul- und Ausbildungsformen offen wie Jungen und jungen Männern. Allerdings ist immer noch auffallend, dass Mädchen und Jungen in verschiedenen Berufsgruppen unterschiedlich stark vertreten sind und im späteren Erwerbsleben Männer in gut dotierten Berufen nach wie vor dominieren.

 

Rz. 10

Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist die Bundesrepublik im November 2006 (wenn auch verspätet) ihrer Verpflichtung nachgekommen, 4 Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft zum Schutz von Diskriminierung in nationales Recht umzusetzen. Das Gesetz erfasst neben dem zivilrechtlichen Bereich (insbesondere dem Mietrecht) schwerpunktmäßig den Bereich des Arbeitsrechts. Es schließt alle Phasen des Arbeitslebens vom Zugang zum Arbeitsverhältnis (Stellenausschreibung und Bewerberauswahl) über die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen bis zur beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung ein.

Das AGG unterscheidet beim Benachteiligungsbegriff zwischen unmittelbaren und mittelbaren Benachteiligungen sowie der Belästigung bzw. sexuellen Belästigung. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen der folgenden Gründe eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation:

  • Alter,
  • Geschlecht,
  • Behinderung,
  • Religion,
  • Weltanschauung,
  • Rasse,
  • ethnische Herkunft,
  • sexuelle Identität.

Aus der verbotenen Benachteiligung wegen des Geschlechts folgt z. B., dass eine hohe körperliche Belastung bei einer Tätigkeit nicht unbedingt die Besetzung einer Stelle mit einem Mann erfordert, da Frauen körperlich nicht zwingend weniger belastbar sind als Männer. Eine Ablehnung einer Bewerberin mit dem Hinweis auf ihr Geschlecht würde gegen das AGG verstoßen.

Ob das AGG tatsächlich ein Schritt zur Gleichstellung im Berufsleben sein wird oder Arbeitgeber künftig ihre Ablehnungsgründe gegenüber ungewollten Bewerberinnen und Bewerbern nur auf andere Kriterien stützen und damit rechtssicherer formulieren werden, bleibt abzuwarten.

 

Rz. 11

Um Mädchen bereits im Schulalter für technische Berufe zu begeistern, bieten inzwischen viele Unternehmen durch spezielle "girl's days" und Praktika Einblicke in die entsprechenden Arbeitsabläufe. Nicht verkannt werden sollte jedoch, dass Mädchen und Jungen oftmals natürlicherweise unterschiedliche Interessensschwerpunkte haben. Dies muss nicht zwangsläufig zu sozialen Benachteiligungen führen. Umfragen haben allerdings ergeben, dass gleiche Leistung auch heute noch geschlechtsabhängig unterschiedlich entlohnt wird.

Aufgrund ihres religiösen und traditionell-kulturellen Hintergrundes stehen Mädchen aus ausländischen Familien häufig nicht die gleichen Schul- und Berufsaussichten offen wie gleichaltrigen deutschen Mädchen.

 

Rz. 12

Unabhängig vom Geschlecht haben Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund oftmals einen geringeren Bildungsgrad als Gleichaltrige aus deutschen Familien, vgl. Übersicht zur Bildungsbeteiligung von 15-jährigen Schülern und Schülerinnen nach Migrationsstatus.

Bildungsbeteiligung von 15-jährigen Schülern und Schülerinnen nach Migrationsstatus (in Prozent)

 
Migrationsstatus
Ohne Migrations­hintergrund Ein Elternteil im Ausland geboren Erste Generation Zugewanderte Familien

Gesamt

Zeilen %
S-% Z-% S-% Z-% S-% Z-% S-% Z-%
19 68 22 5 44 14 33 13 100
10 5 11 6 12 9 8 7 100
34 14 34 5 27 6 39 10 100
35 13 28 5 12 3 16 5 100
3 69 5 9 5 11 4 11 100
100   100   100   100    

Quelle: PISA 2003; in Anlehnung an Ramm u. a. 2004 S. 267

Vgl. BT-Drs. 15/6014 S. 396.

Jugendarbeit kann hier insbesondere durch Gespräche in den Familien einen – vielfach nur begrenzten – ...

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