Rz. 9

Die Regelung in Abs. 1 Satz 2 zum Beginn der Jahresfrist beinhaltet 2 Alternativen:

1. Es gilt der Zeitpunkt, in dem die vorläufige Entschädigung Rente auf unbestimmte Zeit geworden ist.
 
Praxis-Beispiel

Vorläufige Entschädigung wird ab dem 2.2.2006 als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Das Schutzjahr beginnt am 2.2.2006 und endet am 1.2.2007. Eine Entziehung oder Änderung der Rente kann somit erst nach dem 1.2.2007 erfolgen.

 

Rz. 10

2. Es gilt der Zeitpunkt, an dem die letzte Rentenfeststellung bekanntgegeben worden ist.

Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs (SGB) übermittelt wird, gilt mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, außer, wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 37 Abs. 2 SGB X).

 
Praxis-Beispiel

Die letzte Änderung der Rente auf unbestimmte Zeit wurde dem Versicherten mit Bescheid am 15.6.2005 bekanntgegeben. Das Schutzjahr beginnt somit am 15.6.2005 und endet am 14.6.2006, so dass eine Änderung oder Entziehung der Rente frühestens nach diesem Zeitpunkt möglich ist. Nach dem in § 73 Abs. 2 Satz 1 normierten Monatsprinzip kann eine Entziehung oder Reduzierung der Rente erst ab 1.7.2006 erfolgen.

 

Rz. 11

Ein Bescheid über die Änderung oder Entziehung der Rente darf schon vor Ablauf des Schutzjahres erteilt werden, wenn die Änderung oder Entziehung der Rente erst an einem Zeitpunkt nach Ablauf des Schutzjahres wirksam geworden ist (vgl. BSG, Urteil v. 19.12.1968, 2 RU 117/66, BSGE 29 S. 71).

 

Rz. 12

Die Bescheiderteilung vor Ablauf des Schutzjahres mit Wirkung nach Ablauf stellt in der Praxis den Regelfall dar. Diese Vorgehensweise ist allein schon aufgrund der dem Anspruch auf rechtliches Gehör nachgebildeten Anhörungsverpflichtung des Unfallversicherungsträgers nach § 24 SGB X geboten, wonach dem Berechtigten rechtzeitig vor Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben ist, sich zu den für die beabsichtigte Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern; denn die Mitteilung über die beabsichtigte Entziehung oder Änderung der Rente wird in der Regel für eine ganze Zeit vor Ablauf des Schutzjahres geboten sein, da anschließend eine angemessene Zeit sowohl für den Versicherten zur Äußerung als auch für den Unfallversicherungsträger gegeben sein muss um die Äußerung des Versicherten vor der Entscheidung zu berücksichtigen, was gegebenenfalls erforderliche weitere Ermittlungen einschließt (vgl. BSG, Urteil v. 18.10.1984, 2 RU 82/83, BSGE 57 S. 192).

 

Rz. 13

Eine vorläufige Entschädigung kann, ohne dem Versicherten die Gelegenheit zur Äußerung gegeben zu haben, auch dann nicht entzogen und eine Rente auf unbestimmte Zeit abgelehnt werden (oder niedriger als die vorläufige Entschädigung festgesetzt werden), wenn das entscheidungserhebliche medizinische Gutachten dem Unfallversicherungsträger erst so spät bekannt geworden ist, dass eine Anhörung in angemessener Frist vor Ablauf von 3 Jahren nach dem Versicherungsfall nicht mehr möglich ist (vgl. BSG, Urteil v. 30.8.1979, 8a RU 24/79, SozR 2200 Nr. 20 zu § 622).

 

Rz. 14

Die Fristberechnung beim Schutzjahr erfolgt nach § 26 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB. Die Bekanntgabe stellt das Ereignis i. S. d. § 187 Abs. 1 BGB dar; der Tag der Bekanntgabe zählt folglich nicht mit.

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