Rz. 31

Abs. 6 sieht ebenso wie die Vorgängervorschrift des § 594 RVO und ebenso wie die entsprechenden Regelungen für die Rentenversicherung, das soziale Entschädigungsrecht und das Beamtenrecht vor, das der Anspruch auf die Hinterbliebenenrente grundsätzlich ausgeschlossen ist, wenn die Ehe erst nach Eintritt des Versicherungsfalles (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit) geschlossen wurde und der Tod innerhalb des ersten Ehejahres eintritt. Dahinter steht die Vermutung, dass es sich um eine sog. Versorgungsehe handelt, die allein oder überwiegend deshalb geschlossen wurde, um der Witwe bzw. dem Witwer den Anspruch auf die Hinterbliebenenrente zu verschaffen. Nur dann, wenn diese Vermutung widerlegt werden kann, besteht gleichwohl Anspruch auf die Hinterbliebenenrente. Um die Vermutung zu widerlegen, müssen besondere Umstände des Einzelfalls erweislich sein, die sich von der Versorgungsabsicht unterscheiden. Die Vorschrift ist nicht verfassungswidrig und verstößt insbesondere nicht gegen Art 1, 3 und 6 Abs. 1 GG (BSG, sowie Urteil v. 18.7.1974, 5 RKnU 6/73). Sind die besonderen Umstände nicht erweislich, so bleibt es bei dem Grundsatz des Leistungsausschlusses.

 

Rz. 32

Die Tatsachen, aus denen im Wege der Beweiswürdigung auf besondere Umstände des Einzelfalles geschlossen werden soll, müssen i. S. d. Vollbeweises erwiesen sein. Es muss eine Gesamtabwägung aller zur Eheschließung führenden Motive beider Ehegatten erfolgen. Nur dann, wenn diese ergibt, dass es insgesamt nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe bzw. dem Witwer eine Versorgung zu verschaffen, ist die Vermutung widerlegt (BSG, Urteil v. 28.3.1973, 5 RKnU 11/71, BSGE 35 S. 272, NJW 1973 S. 1996). Um die Vermutung zu entkräften ist zu prüfen, ob bei der Heirat mit dem Versicherten nicht allein oder überwiegend der Zweck verfolgt wurde, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen (BSG, Urteil v. 7.8.2009, 13 R 101/08 R, UV-Recht Aktuell 2010 S. 235). Das Bestehen einer Liebesbeziehung schließt die Vermutung der Versorgungsabsicht schon deshalb nicht aus, weil gerade dann der Ehegatte, der den baldigen Tod vor Augen hat, seinen Ehepartner wirtschaftlich abgesichert sehen möchte. Es kommt entscheidend auf die Motivationslage bei dem Hinterbliebenen an. Alle zur Eheschließung führenden Motive der Ehegatten müssen berücksichtigt und in ihrer Bedeutung gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil v. 5.5.2009, B 13 R 53/08 R, BSGE 103 S. 91 = NZS 2010 S. 400).

 

Rz. 33

Wichtige Fragen: Wann genau wurde die zum Tod führende Erkrankung diagnostiziert? Wann hat die bzw. der Hinterbliebene davon erfahren? Was war der unmittelbare Anlass für die Heirat? Warum ist die Heirat zu diesem Zeitpunkt und nicht bereits früher erfolgt? Die letzte Frage stellt sich insbesondere dann, wenn die Ehegatten vor der Heirat bereits längere Zeit in eheähnlicher Gemeinschaft zusammen lebten.

 

Rz. 34

Der Begriff "Versorgungsehe" darf nicht falsch verstanden werden. Damit ist allein die Absicht gemeint, dem Ehegatten die Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen. Schließt hingegen ein Pflegebedürftiger, der auf Pflege ständig angewiesen und dessen Ableben bei Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten ist, mit der Partnerin, die er zuvor als Pflegekraft beschäftigte, die Ehe, so gilt die Rechtsvermutung i. d. R. als widerlegt (BSG, Urteil v. 3.9.1986, 9a RV 8/84, BSGE 60 S. 204, FamRZ 1987 S. 1026). "Pflegeehe" ist nicht gleich "Versorgungsehe". Allerdings hatte das BSG (a. a. O.) aufgegeben zu prüfen, ob die fehlende wirtschaftliche Sicherung nach der Scheidung der ersten Ehe sowie die testamentarischen Zuwendungen 5 Tage nach der Eheschließung in der Gesamtabwägung doch eher für die Versorgungsabsicht sprachen.

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