Rz. 4

§ 61 in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung übertrug im Wesentlichen inhaltsgleich den früheren § 68 BSHG. Geregelt wurde sowohl, wer leistungsberechtigt ist, als auch die Leistungen selbst. § 61 in der seit dem 1.1.2017 geltenden Fassung bezieht sich (insoweit in Anlehnung an § 61 Abs. 1 a. F.) hingegen nur noch auf die (wirtschaftlichen) Voraussetzungen der Leistungsberechtigung im Rahmen der Hilfe zur Pflege, denn die Leistungen nach dem 7. Kapitel sind abhängig vom Einkommen und Vermögen. Hintergrund der Änderung ist der gesetzgeberische Wunsch einer Anpassung an die Systematik des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII, in denen der Personenkreis der Leistungsberechtigten jeweils in einer eigenen Vorschrift am Anfang des Kapitels geregelt ist. Wer pflegebedürftig i. S. d. Hilfe zur Pflege ist, regelt nunmehr § 61a (vgl. dortige Komm.).

 

Rz. 5

Der bis zum 31.12.2016 geltende alte Pflegebedürftigkeitsbegriff wurde von vielen seit langem als pflegewissenschaftlich zu wenig fundiert sowie zu defizitorientiert angesehen und aufgrund seiner Fokussierung auf körperliche Einschränkungen kritisiert. Er hatte zur Folge, dass Menschen mit demenziellen Erkrankungen aber ohne oder mit nur geringen körperlichen Beeinträchtigungen regelmäßig keine oder nur geringe Leistungen von der Pflegeversicherung erhalten haben. Das BMG hatte daher bereits im Jahr 2006 einen Beirat zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs einberufen, der im Jahr 2009 einen ersten Vorschlag für einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und ein neues Begutachtungsinstrument zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit vorgelegt hat (vgl. Abschlussbericht des Beirats zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs, abrufbar im Internet auf der Homepage des GKV-Spitzenverbandes Bund unter: https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/pflegeversicherung/pflegebeduerftigkeitbegriff/Bericht_Gesamt_26012009.pdf sowie Umsetzungsbericht des Beirats, abrufbar im Internet auf der Homepage des BMG unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/Publikationen/Pflege/Berichte/Umsetzungsbericht_des_Beirats_zur_UEberpruefung_des_Pflegebeduerftigkeitsbegriffs.pdf). Zur konkreten Ausgestaltung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und zur Klärung der noch offenen fachlichen, administrativen und rechtstechnischen Fragen hat das BMG im Jahr 2012 einen Expertenbeirat einberufen, dessen Abschlussbericht im Jahr 2013 vorgelegt wurde (abrufbar im Internet auf der Homepage des GKV-Spitzenverbandes Bund unter: https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/pflegeversicherung/pflegebeduerftigkeitbegriff/Bericht_Expertenbeirat_Pflegebeduerftigkeitsbegriff_vorab_130627.pdf).

 

Rz. 6

Durch den seit dem 1.1.2017 geltenden neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff sollen körperliche, kognitive und psychische Einschränkungen gleichermaßen und umfassend berücksichtigt werden. Maßstab für die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit eines Menschen ist fortan dessen Selbstständigkeit, nicht mehr wie bisher sein in Minuten dargestellter, verrichtungsbezogener Hilfebedarf (z. B. beim Waschen oder bei der Nahrungsaufnahme) bzw. dessen Häufigkeit (z. B. einmal täglich oder dreimal täglich). Die Ermittlung des Pflegegrades erfolgt nunmehr anhand von Punktwerten; einen Zeitbezug, wie bei den alten Pflegestufen, gibt es nicht mehr. Der Grad der Selbstständigkeit, die Ressourcen eines Menschen und seine Fähigkeiten sollen künftig differenziert wahrgenommen und dadurch seine konkrete individuelle Problemlage besser erfasst werden als bislang. Die Pflegegrade reichen von geringen Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten (Pflegegrad 1) bis zu schwersten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten, die mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung einhergehen (Pflegegrad 5). Statt der 4 klassischen Bereiche Körperpflege, Ernährung, Mobilität und hauswirtschaftliche Versorgung werden nunmehr die Fähigkeiten in den 6 Modulen (vgl. § 61a Abs. 2) Mobilität (1), kognitive und kom­munikative Fähigkeiten (2), Verhaltensweisen und psychi­sche Problemlagen (3), Selbstversorgung (4), Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits-­ oder the­rapiebedingten Anforderungen und Belastungen (5) sowie Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte (6) erfasst. Jedes Modul wiederum umfasst mehrere Kriterien, die ebenfalls aus § 61a Abs. 2 ersichtlich sind. Im Rahmen der Begutachtung wird erfasst, inwieweit die nachfragende Person in der Lage ist, die jeweiligen Kriterien selbstständig zu erledigen. Ein Kriterium im Bereich Mobilität ist z. B. das Treppensteigen. Die 6 Module werden bei der Ermittlung der für die Einordnung in einen der 5 Pflegegrade maßgeblichen Punktwerte unterschiedlich gewichtet.

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